Von Knigge, Schmidt und Staat
An der Wende zu anno Domini 2008 erfrechte sich der deutsche Altbundeskanzler Helmut Schmidt in einem Hamburger Theater eine Zigarette anzuzünden. Die zweitgrößte Nichtraucherinitiative Deutschlands mit Sitz in Wiesbaden erstattete deswegen Strafanzeige wegen Körperverletzung und Mißachtung des in Deutschland seit dem 1. Januar geltenden Rauchverbotes in öffentlichen Räumen. Prompt leitete die Staatsanwaltschaft Hamburg ein Ermittlungsverfahren gegen den Träger der Goldman-Medaille und Inhaber des Theodor Heuss-Preises, Mitbegründer des InterAction Councils, Ehrenbürger der Städte Bonn, Berlin, Bremerhaven, Hamburg und des Landes Schleswig Holstein, Ehrenvorsitzender der Nationalstiftung in Weimar, Namensgeber der Helmut Schmidt-Universität mit Ehrendoktorwürde, der sich 1962 bei der Hochwasserkatastrophe durch kluges Handeln verdient machte und weitere Todesopfer verhinderte, ein.
Der coolste Deutsche
Deutschland bebte. Wer allerdings geglaubt hatte, der 89-jährige SPD-Veteran Schmidt werde von den deutschen Nichtrauchern geteert und gefedert, sah sich getäuscht. In einer Umfrage des TV-Senders «Premiere» wurde der einstige Kanzler zum «coolsten Deutschen» gewählt – noch vor Till Schweiger!
Die Schweiz wiederum wie in den Vorkriegsjahren
Die über Europa hereinbrechende Nichtraucherwelle macht auch vor der Schweiz nicht halt. Es scheint, daß hier der Herdentrieb wieder einmal stärker ist als gesunder Menschenverstand. Mehrere Kantone, interessanterweise allesamt in irgendeiner Weise Außenseiterkantone, sind in vorauseilendem Gehorsam vorgeprescht. Im «Hirschen» werden Stumpenraucher von Stammtisch gejagt. In Bürogebäuden treffen sich rauchende Angestellte bei Wind und Wetter auf engen Balkonen und setzen sich somit dem Risiko einer Lungenentzündung aus. In den Zügen der SBB bleiben unappetitliche Toiletten das letzte Refugium für jene Minderheit, die von der eigenen Regierung als Aussätzige gehetzt und gejagt werden. Derweil legt sich die Allianz von Lungenligisten, sendungsbewußten Präventivmedizinern, an Deutschland sich anbiedernde Bundesräte, staatsgläubigen Gesundheitsfanatikern und verwaltungsgläubigen Verbotsfanatikern in den Armen.
Im Bundeshaus steht das Gesetz zum Schutz vor der ‹Passivrauchschädlichkeit›, per Deklaration der WHO und bislang noch bar jeglicher wissenschaftlicher Grundlage, auf dem Prüfstand. Der Nationalrat hat bereits grünes Licht gegeben. Immerhin erinnerte man sich in letzter Sekunde daran, daß in der Schweiz die allermeisten Restaurants und sonstigen Gastlokale nicht vom Staat, sondern von Privatpersonen geführt werden. Ein bißchen Selbstverantwortung sei deshalb schon zuzulassen, nicht zuletzt deshalb, weil man Subventionen und Direktzahlungen an die Gastronomie vermeiden will. Die gesprochenen fünf Milliarden an die Bauern schmerzen die Bundeskasse noch heute.
«Die Kunst des Umgangs mit Menschen besteht darin, sich geltend zu machen, ohne andere unerlaubt zurückzudrängen.»
Nicht mehr der Mensch ist im Mittelpunkt, sondern politisch korrektes Verhalten in Konkurrenz zum Adolf Franz Friedrich Ludwig Freiherr von Knigge, dessen Buch mit der Zeit zur Anstandsfibel mutierte und seit bald dreihundert Jahren ein reibungsloses Miteinander ohne staatliche Bevormundung garantierte. Knigges Buch «Über den Umgang mit dem Menschen» war an oft unterdrückte einfache Bürger des 18. Jahrhunderts gerichtet und sollte ihnen ein Bewußtsein für Souveränität, Freiheit, Verantwortung und Verpflichtungen verschaffen. Außerdem sollte es einfachen Leuten ein sicheres Bewegen in guter Gesellschaft ermöglichen. Auf diese Art verbreitete Adolf Knigge aufklärerische Gedanken in den nicht-adeligen Bevölkerungsschichten. Im Endeffekt war dieses Buch ein bedeutsamer politisch-pädagogischer Beitrag im Befreiungskampf des Bürgertums gegen die Abhängigkeit vom Adel, dem heutigen Staat, das zu einem zeitlosen Buch des guten Anstands umgefälscht wurde.
Absurde und unrealistische Verbote
Wie wird das politische Trauerspiel um den Passivraucherschutz enden? Es drohen deutsche Verhältnisse. Das hieße zum Beispiel, daß die Lungenliga Strafanzeige wegen Körperverletzung erstatten könnte gegen einen Schwingerfreund, der sich nach dem Schlußgang in der Dorfbeiz einen Krummen anzündet.
Müsste bald die Berner Stadtpolizei ausrücken, wenn eine Nationalrätin in einem entlegenen Winkel des Bundeshauses zur Zigarette greift? Brauchen wir eine Antiraucherpolizei, die Tag und Nacht durch öffentliche Gebäude patrouilliert? Sollen renitente Raucher konsequent angezeigt werden? Soll die deutsche Denunziationsmentalität Einzug in unseren Alltag finden? Sind saftige Bussen fällig? Was geschieht mit Wiederholungstätern? Werden diese eingesperrt?
Wer Verbote erläßt, sollte sich auch überlegen, wie diese durchgesetzt werden können. Nicht selten genügt dieses Nachdenken, um die Absurdität des eigenen Gebarens zu erkennen.
Wiederholungstäter einsperren, na ja.
Was macht man, wenn er im Knast raucht?
In ganz Deutschland ist das Rauchen im Knast explizit erlaubt!
Sind Knäste in Deutschland kein «öffentlichen Grund»?
Haben die ihre Knäste auch privatisiert?
Wenn bei uns rauchen in den erwähnten Gebäuden auch erlaubt ist sollten wir einfach eine Mauer um die Schweiz bauen und «unser» Land als Knast erklären 😉
Da wäre sicher auch die SVP einverstanden.
Nein, in Deutschland sind die Gefängnisse noch nicht privatisiert. Es steht ausdrücklich in den prohibitiven Rauchverbotsgesetzen, dass Gefängnisse vom Verbot ausgenommen sind. Es passt aber gut in die Denkweise der Antiraucher, denn ihnen ist es egal, ob nun Knastbrüder vergast oder geräuchert werden. Nur gut, dass wir wissen, dass Passivrauch weder der Gesundheit noch den Mitmenschen schadet und dieses Proleten-Gegröle der Antis (DKFZ, BAG, Lungenliga, u.a. Sekten) ein Ammenmärchen ist. ‹Passivrauch› wurde nicht umsonst zum Unwort des Jahres 2007 erkoren.
Gefundener Kommentar in einer Zeitung
Ich habe heute in der NZZ gelesen, dass im Kt. Zürich das Rauchen in den Gefängnissen verboten werden soll.
Wenn Nichtrauchen zu soviel Agressivität führt wie der Typ in Ihrem Link:
guet Nacht am sächsi
Wenn ein Ex-Kanzler sich nicht an das Rauchverbot halten kann, weil er seiner Suchtkrankheit nachgeben will, dann benimmt er sich wie ein arroganter Dummkopf, und so wird er dann auch zu Recht behandelt.
Rauchen verursacht uebrigens nicht nur Krebs, sondern schadet auch dem Gehirn.
Welch verquere Erkenntnis! Der Exkanzler will nicht, wie die meisten Raucher, also gilt der Grundsatz: Leben und leben lassen! Als militant fanatischer Sektengläubiger bist du hier augenscheinlich völlig fehl am Platz.
Wenn Majestät all die Beweise und Argumente, welche in Sackstark aufgeführt sind mit offenem Geist gelesen und darüber reflektiert haben, und wenn, man wie die meisten heute weiß, daß selbst die WHO sich von ihrer EPA und andren Studien distanziert, wenn Anti-Raucher aber dennoch nicht Willens sind, ihren Denkapparat zu mehr als dem Huttragen zu gebrauchen, ja dann ist sicherlich nicht der Raucher Angehöriger ewig gestriger, sondern die Sektierer, zu denen du dich als zugehörig auszugeben und zu outen scheinst!
Kleine Bettlektüre
Zurück in die verklemmte Nachkriegszeit
«Das Essen ist heute so gefährlich wie früher der Sex»
Psychoanalytiker Peter Schneider zum Thema: Znünigesetze, Impfdebatten, Präventionskampagnen. Krankt unsere Gesellschaft am Gesundheitswahn? Psychoanalytiker Peter Schneider über den Askeseboom. Zum Artikel von Peter Schneiderl