Zum Ableben von Jörg Haider

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Ein Mann ist tot.

Von Peter Brucha, Österreich

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Diese Feststellung ansich ist noch nicht bemerkenswert. Täglich sterben so viele Menschen auf diesem Erdball eines unnötigen, frühzeitigen und oft auch noch gewaltsamen Todes ohne, daß irgend einer unter uns auch nur den Bruchteil eines Gedankens daran verschwenden würde. Warum also Aufhebens um diesen Toten machen?

Die Antwort auf diese Frage ist ebenso einfach wie die Frage selbst: Weil dieser Mann den Namen «Jörg Haider» trug. Wie kaum ein Anderer hat er die österreichische Politlandschaft immer wieder durcheinander gewirbelt, Sager und Sprüche geliefert wie kein Anderer, Aufregung und Unmut und offene Gegenerschaft ebenso erzeugt wie glühende, ja geradezu fanatische – oft genug Besorgnis erregenede – Anhängerschaft.

Ich persönlich konnte mich nie mit den (ihm zumindest gebetsmühlenartig unterstellten) politischen Bekenntnissen identifizieren und trotzdem bekenne ich freimütig bei der «Schicksalswahl 1999» einer derer gewesen zu sein, die ihre Stimme damals diesem Jörg Haider gaben.

In zahllosen Diskussionen habe ich diese Entscheidung immer verteidigt woraus oft genug die Notwendigkeit wurde mich selbst zu verteidigen. Nein! – Ich bin weder ein latenter Nazi, noch befürworte ich Ausländerfeindlichkeit oder würde in irgend einer Weise zu Intoleranz tendieren. Aber ich war auch immer der Ansicht, dass dieser Jörg Haider – so wie ich selber und abertausende andere Österreicher auch – in erster Linie Patriot war. Patriotismus aber ist seit 1945 zu etwas verkommen, das fast schon reflexartig mit Nationalismus im Sinne der NSDAP gleichgesetzt wird. Als noch schädlicheren Umkehrschluß zogen viele Politiker in unserem schönen Österreich die Konesequenz, dass nur einer der sich als latenter Vaterlandsverräter übt, ganz sicher davor geschützt ist sich die mehr oder weniger heimliche Unterstellung gefallen lassen zu müssen ein Nazi zu sein.

Aussagen wie «Österreich zu aller erst den Österreichern» wurden, werden und würden in allen Staaten dieser Erde mehr als nur «normal» und «gesund» betrachtet – bloß bei uns konnte man aus dieser Aussage Jedem den Strick aus der «Nazi-Keule» drehen. «Amerika den Amerikanern» – das keineswegs in Frage gestellte Selbstverständnis aller jenseits des großen Teiches. Niemand käme auf die Idee die Schweizer als «Nazis» zu bezeichnen, weil sie in gesundem Selbstschutz seit jeher sagen: «Die Schweiz den Schweizern». Bloß in Österreich war das seit 63 Jahren anders. Bloß in Österreich gab es in all der Zeit nur einen der jede diesbezügliche Unterstellung weggesteckt hat, oft genug sogar clever zu nutzen wusste, und sich dadurch nicht in seinem unerschütterlichen Glauben und Arbeit für Österreich beirren ließ: Jörg Haider.

«Patriotismus» als «Rechtspopulismus» abzutun ist etwas was nur sehr einfältigen oder sehr boshaften Menschen einfallen kann – und doch wurde diese Lanze sehr oft auf diesen Jörg Haider geschleudert. Er hat es ausgehalten und immer wieder ungeheure Kräfte bei sich selbst mobilisiert und es gleichzeitig verstanden diese Kräfte bei Anderen zu mobilisieren. Dass dieser Jörg Haider, wie einfach kein Anderer den Puls in den Herzen der Österreicher gefunden und seinen Finger darauf gelegt hat belegen die Wahlergebnisse zweifelsfrei. Ängste sind etwas das man gerade als Politiker ernst zu nehmen hat – selbst dann wenn diese vielleicht irrational sind. Mögen die Methoden welche Jörg Haider angewandt hat zuweilen drastisch gewesen sein – nie hatte ich das Gefühl, daß dieser Mann ein anderes Anliegen hatte als Österreich seine individuelle Einmaligkeit zu erhalten.

Instinktiv wussten das sehr viele Österreicher und haben ihn gewählt – und ich vermute dass es sehr viel mehr Österreicher auch wussten und ihn nur deshalb nicht wählten weil die konsequente Vernichtungspropaganda der anderen jeden ehrlichen und aufrechten «Gutmenschen» davon abhalten mußten dem Mann zu dem politischen Gewicht zu verhelfen welches er gebraucht hätte um in ganz Österreich letztlich jene Erfolgs-Story zu starten welche er in Kärnten in Bewegung gesetzt hatte. Und das ist ein Erfolg den ihm niemand absprechen kann. In Kärten hatte er das Sagen welches ihm auf Bundesebene versagt blieb – und mit dem heutigen Tag muß jeder Gedanke an das «was hätte sein können» ins Reich der Spekulation verschoben werden. Jetzt so knapp bevor wir es alle vielleicht hätten erfahren können.

Für mich war das, was Herrn Dr. Jörg Haider immer angekreidet wurde ein ebenso simpler wie erfolgreicher Standard-Schachzug: «Wenn du 100% von etwas willst, fordere 200%!» Die geforderten 200% waren wohl nie das was ein hochintelligenter Mann wie Herr Haider je wirklich erreichen wollte, aber gleichzeitig hatten diese «200%-Forderungen» immer wieder den Effekt daß die Forderungen breite Empörung auslösten, dadurch aber auch das Gespräch, den Dialog und wenn man genau hinsieht dann wurden letztlich viele der «empörenden Forderungen» des Jörg Haider nach einigem hin und her in stark abgeschwächter Form zum Wohle Österreichs umgesetzt. Nicht selten just von Jenen welche zunächst am lautesten darüber geschrieen hatten wie «ungeheuerlich» die Forderungen dieses «Rechtspopulisten Haider» doch wären!

  • 200% fordern
  • Ein Gespräch über den Umweg des Emörungsgeschreis in Gang setzen
  • Etwas worüber man sich vorher nie getraut hätte auch nur nachzudenken einer breiten Diskussion zuzuführen
  • Nach langem hin und her dann: 100% erreichen

und damit eigentlich das erreicht haben was man eigentlich wollte.

All das ist jetzt müßig. – Dr. Haider ist tot. – Wie groß der Verlust für Österreich wirklich ist wird die Zukunft zeigen. Wird es Andere geben die seinen Weg weiter gehen, unbeugsam sich in aller erster Linie Österreich verpflichtet sehen und dafür jeden Schmäh-Ruf, jede Untergriffigkeit, jede Unterstellung aushalten?

Darüber wie «praktisch» und willkommen dieser plötzliche Tod für so manchen just zu diesem Zeitpunkt kommen muss zu diskutieren ist müßig. Man muss sich geradezu von diesem, sich eigentlich aufdrängenden, Gedanken distanzieren will man sich nicht eine Paranoia ungeahnten Ausmaßes einhandeln.

Menschlich ist dieser Tod nur für die nächsten Angehörigen eine Tragödie. Für die Frau, die 90 jährige Mutter, die Kinder – lassen wir denen die Ruhe um ihren Schmerz zu verarbeiten, den Frieden um sich mit der Tatsache in Frieden abzufinden und sich zu verabschieden.

Politisch eröffnet dieser Tod neue ungeahnte Möglichkeiten für Österreich. Mit Dr. Haider ist in jedem Fall eine politische Größe in Österreich gestorben die nicht leicht für fadenscheinige Kompromisse zu haben war. So viel müßen ihm selbst seine erbittertsten Feinde zugestehen.

Eine bereits von Haider angedachte und in den Raum gestellte (Wieder-)Vereinigung von FPÖ und BZÖ würde Herrn H.C. Strache zum Chef der nur um Haaresbreite nicht größten Partei Österreichs machen, es wäre zumindest eine Begegnung zwischen SPÖ und FPBZÖ auf gleicher Augenhöhe, eine Kraft die selbst dieser selbstgerechte Herr Feymann und seinem «Parteifreund» des Bundespräsidenten Fischer nicht mehr einfach ignorieren und ausgrenzen kann.
Es würde das Rennen um eine künftige Koalition ganz neu ordnen. Es würde die Möglichkeit bieten, dass man den unübersehbaren Wahlauftrag der Österreicher doch noch zur Kenntnis nehmen kann und der lautet nun mal: «Alles – bloß keine Neuauflage von Rot-Schwarz! Wie wohl eine Koalition von SPÖ und einem wiedervereinigten FPÖ-BZÖ in der Tat eine «große Koalition» wäre!»

Es würde selbst dem arroganten Herrn Feymann die Möglichkeit geben mit H.C. Strache zu sprechen ohne sein Gesicht zu verlieren. Hat er doch gesagt: «Es wird keine Koalition zwischen SPÖ und Strache UND Haider geben.» Er hat nie gesagt. «Es wird keine Koalition zwischen SPÖ und einer ca gleich starken FPÖ geben.»!

Ich persönlich kann nur sagen: «Sehr geehrter Herr Feymann. Beenden Sie Ihr stures Ignorieren des Wahlergebnisses. Es gibt mindestens ebenso viele Wähler in Österreich die sich mit den Botschaften der FPÖ-BZÖ identifizieren können und wollen, wie es solche gibt welche die SPÖ, die sozialen Anliegen für welche sie steht trotz Gusenbauer, trotz ihrer kaum überbietbaren Überheblichkeit, präferieren. Sie, Herr Feymann haben die vermutlich einmalige Chance das bisher als «ultra-rechts» abgetane Lager mit jenem Segment aus deren eigenem Wahlkampf in die Pflicht zu nehmen welches soziale Anliegen zum Thema hatte. Sie hätten damit die sicherlich einmalige Chance aus einer rechts-populistischen, gefährlich nahe am nationalsozialistischen Gedankengut entlang schrammenden Partei und deren Wählerschar, eine mit Ihnen gemeinsam engagiert im sozialen Bereich für Österreich kämpfende Gruppe zu machen die wir in Österreich dringend brauchen würden.

Sie hätten damit die Chance «Patriotismus» wieder salonfähig zu machen, auch für die eigenen Genossen, ganz besonders im Sinne eines von mir zu tief verehrten Herrn Dr. Kreisky, dem wohl kaum einer absprechen wird, dass er einer der letzten ganz großen patriotischen Österreicher war!

Der Ruf nach «Österreich den Österreichern» statt «Österreich – eine Ramsch- & Ausverkaufsware die Brüssel ganz billig am Silbertablett nachgetragen wird» den können nicht einmal Sie überhören, sie haben die Chance unser aller Österreich wieder zu einem in aller erster Linie seinen eigenen Bürgern gegenüber sozial verantwortungsvoll agierenden Staat von internationaler Bedeutung zu machen – oder sie können eine Neuauflage des widerlichen Postenschachers und Ausverkaufs von vor 2 Jahren inszenieren und auch für ein paar Monate Bundeskanzler spielen bevor der unausweichliche Neuabsturz kommt.

Der Auftrag zur Regierungsbildung durch UHBP Fischer gibt Ihnen jede Chance dazu – auch zu verhindern dass uns das schlimmste Vorstellbare, nämlich eine rechts-ultrarechte Koalition, blüht.

FPÖ und BZÖ hatten sehr patriotische SOZIALE Anliegen in deren Wahlkampf.
Nehmen sie diese beiden, vielleicht bald schon diese eine, Partei bezüglich dieses Segmentes ihres Wahlkampfes in die Pflicht und es wird denen leicht fallen die rechtsruck-Teile aus dem Wahlkampf in der Versenkung verschwinden zu lassen … andernfalls wird genau das die ÖVP tun, und dass die ÖVP für «Macht» alles zu tun bereit ist, das hat die ÖVP doch in der Vergangenheit oft genug bewiesen!

Lernen Sie!
Vergangenheit ist nicht bloß dazu da, damit die Autoren von Geschichtsbüchern etwas zu tun haben, sondern dass wir daraus lernen können.
Lernen Sie!

Dann wird Dr. Jörg Haider nicht umsonst gestorben sein.

Das ist mein Wunsch für Österreich.

Peter Brucha

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