Wenn die Freiheit in Rauch aufgeht

Carlo Strenger zum Rauchverbot in Israel

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Knessetmitglied Gilard Ardan hat erreicht, den Rauchern und Barbesitzern die Schlinge um den Hals noch enger zu ziehen; gesetzeswidriges Rauchen wird nun mit noch höheren Bussen bestraft. Sollten wir Ardan nicht auch zu seinem Erfolg applaudieren, daß Rauchen nicht nur in Restaurants, sondern auch in Bars, Eckkneipen und Gaststätten eliminiert wird? Denn letztendlich hat sich nun auch Israel dem Chor der nimmermüden Jäger der politisch Korrekten gegen die Raucher angeschlossen. (Ich gebe freimütig zu, Raucher zu sein).

Ist es der ultimative Triumph von Kultur und Zivilisation? Ich bezweifle es. Falls wir überhaupt etwas wahrnehmen dann das, dass wir einen weiteren Schritt in Richtung des patriarchalischen Konzepts eines Staates unternehmen, der uns sagt, was wir tun dürfen und welche Art von Leben wir zu führen haben. Es erstaunt mich absolut nicht, daß die Vereinigten Staaten und die Europäische Union auf dem gleichen Schlitten denselben Hang hinunterrasseln, der zu einem Staatsgefüge führt, das dem einzelnen Individuum sagt, wie er zu leben hat.

Rationale Diskussionen darüber sind alleine schon deshalb unmöglich geworden, weil Beweise zurückgehalten werden. Zum Beispiel: The International Agency for Research on Cancer (IARC), eine Unterorganisation der World Health Organisation (WHO), führte eine siebenjährige Studie durch, welche keinen Anhaltspunkt finden konnte, daß Passivrauch auch nur im geringsten einen gesundheitlichen Zusammenhang aufweist – aber die Studie wird bis heute unter Verschluß gehalten, weil sie den gedankenlosen, von der WHO vertraglich festgehaltenen Konsens des «Wir alle wissen, daß ‹Passivrauch› tötet» in ihren Grundmauern erschüttert hätte.

Die zurzeit gebetsmühlenartig zitierten Studien, daß eine große Prozentzahl der Wähler sich für Nichtrauchergesetze ausspricht, bringt die Auseinandersetzung in diesem Thema auch nicht weiter. Eine der größten Gefahren für eine Demokratie, worauf Alexis de Tocqueville schon vor langer Zeit hinwies, ist die «Tyrannei der Mehrheit». Es ist bemerkenswert, wie sich die Medien bis heute aus der Verantwortung stehlen und sich nicht getrauen, stichhaltige Argumente gegen das Antiraucher-Gesetz zu artikulieren, bloß weil es den etablierten Konsens verletzen würde. Wenn offenen Diskussionen aus dem Weg gegangen wird, ist der Weg zu einem totalitären Gedankenpolizeistaat nicht mehr weit.

Wenn die Begründung für Anti-Rauchergesetze wirklich auf der Tatsache beruhen würde, Leiden oder Schaden von Nichtrauchern abzuwenden, dann muß auch akzeptiert werden, daß die Wünsche eines Viertels der rauchenden Bevölkerung nicht mit Füssen getreten werden dürfen. Orte für Raucher könnten bestimmt werden und Bars oder Gaststätten müßten als Raucher- oder Nichtraucherlokale gekennzeichnet sein, damit Nichtraucher diese meiden können.

Doch niemand hat bisher versucht, Raucher und Nichtraucher gleichermaßen zufrieden zu stellen. Es wurde nicht einmal der Versuch unternommen. Das Gesundheitsministerium teilt uns voller Triumph mit, daß der Raucheranteil in Prozenten stetig sinkt. Soll das heißen, daß vom Staat erwartet wird, Erwachsene so zu erziehen, ob sie rauchen wollen oder nicht? Werden wir demnächst die Strände über Mittag schließen, weil die Sonne Hautkrebs auslöst (übrigens ein unter Wissenschaftler kaum bestrittener Kausalzusammenhang auf die Gesundheit, im Gegensatz zu dem des Passivrauchs)?

Der Staat ist nicht dazu da, uns als Kindermädchen vorzuschreiben, wie wir zu leben haben – und da kommen wir bereits sehr nahe an folgende Situation: Vor nicht allzu langer Zeit versuchte der Knessetabgeordnete Ruhama Avraham-Balili ein Gesetz durchzuboxen um Alkohol nur noch während bestimmten Zeiten auszuschenken. Er kam mit seiner Gesetzesvorlage nicht durch, aber der bloße Gedanke, daß ein Politiker in der Legislative uns vorschreiben kann, wie wir zu leben und unser Privatleben zu gestalten haben, sollte uns schockieren. Auch Politikphilosophen wie John Stuart Mill und Hannah Arendt haben uns vor der Tendenz eines Staates, der sich zunehmend in unser Leben einmischt, gewarnt und ihre Warnungen sollten nicht ungehört bleiben.

Man mag argumentieren, daß schließlich ein Rauchverbot in öffentlichen Plätzen nur Gutes bringen kann. Raucher würden weniger rauchen und Nichtraucher weniger belästigt. Diese Sichtweise ist aber zu kurzsichtig, denn es gilt einen zu hohen Preis zu bezahlen, um ganze Städte, gereinigt von allen Lastern, in Wellness- und Gesundheitsparks zu verwandeln. Falls kulturelle Kreativität seit jeher mit Lastern aller Art verbunden gewesen sein sollte, dann deswegen, weil jenseits bestimmter Grenzen die Überregulierung unseres Privatlebens, unserer Wünsche und Gewohnheiten zu einer grauen Uniformität führen und die kulturelle Atmosphäre sterilisieren würde.

New York City war einst eine umtriebige, lebendige Stadt in welcher riesige Firmensitze ihren Hauptsitz hatten und angesehene Anwaltskanzleien sich mit Künstlern in rauchgeschwängerten Bars und Jazz Clubs zusammen fanden. Dann kamen Giuliani und Bloomberg und entrechteten das Rauchen auf allen öffentlichen Plätzen und haben alle heruntergekommenen Gegenden plattgemacht. Das Resultat war, daß N.Y.C. heute sauber, steril und um einiges uninteressanter ist, aufgrund des staatlich verordneten Konformitätsdruckes, welches alternativen Lebensstilen die Lebensgrundlage entzog.

Das Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts, das Paris der frühen 1920er, das New York der 1940er und 1950er Jahre waren allesamt unregulierte Städte. Zusammen mit Zigaretten und Alkohol blühte eine enorme Kreativität. Dies waren die Städte zu einer Zeit, die es Freud, Klimt, Picasso, Braque, Sartre, Rothko, Philip Roth und Woody Allen erlaubten, sich äußerst kreativ zu entwickeln. Nicht alle von ihnen rauchten und ich will auch gar nicht das Argument ins Feld führen, dass es eine Verbindung zwischen Rauchen und Kreativität gibt. Aber es gibt eine Korrelation zwischen einer offenen Gesellschaft und dem Mass an Kreativität, des joie de vivre, welches es nährt. Wir haben ein Recht auf unsere Laster und die Auswirkung der moralisierenden ‹Political Correctness› wird wohl einiges mehr an Schaden verursachen als Zigarettenrauch.

Zur Person:

Carlo Strenger lehrt als Professor an der Universität in Tel Aviv, Abteilung Psychologie und ist sowohl Mitglied des Konstanten Überwachungsausschusses für Terrorismus (Permanent Monitoring Panel on Terrorism) als auch Mitglied des Naturwissenschaftlichen Dachverbandes (Worlds Federation of Scientists.)

Carolus Magnus

Freidenker, Rebell und Nonkonformist schreibt provokativ, konzis, unkonventionell und unmißverständlich über/gegen das grassierende, genußfeindliche, puritanische Weltbild in unserer Gesellschaft. Stilmittel: Satire, Provokation, Humor, Karikatur und knallharte Facts. Ein MultiMediaMagazin für Jeden.

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