«Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche!»
Das Ideal der Suchtfreiheit ist nicht erst heute ein wichtiger Bestandteil dieser, die menschliche Ambivalenz verachtenden, Auffassung. Die totalitären Befreiungsversprechungen, der Befreiung vom Teuflischen, bedeuteten fast immer den Versuch der ‹Befreiung› der Menschen von leiblichen Gelüsten. Und sie waren auch früher schon Zeichen des Totalitarismus der Inquisition. Die puritanische Bürgerkriegspartei in England und körperfeindliche Protestantinnen und -protestanten in Europa waren nicht nur mit beteiligt bei der Inquisition. Ein herausragendes Zeichen ihrer Agitation war die Leibfeindlichkeit, die Verneinung von Rausch und Lust, die Verinnerlichung eines Kontrollzwanges. Im Europa des 19. Jahrhunderts fand dies seine Fortsetzung darin, daß Frauen eine eigene Sexualität abgesprochen wurde, in der Verteufelung der sexuellen Selbstbefriedigung, und in den prohibitionistischen Bewegungen gegen den Alkohol. Und genauso was bei diesen Agitatoren und Agitatorinnen galt, gilt ebenso bei den fanatischen Rauchfeinden und -feindinnen; ‹Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche!›
Gerade in puritanischen Ländern wird unter der Hand all das betrieben, was verdammt wird. Und die Kinderheime des Vatikans für die Früchte gefallener Zöllibatisten sind bekannt. Das heißt die verbalradikalsten Antiraucherinnen und Antiraucher haben häufig früher selber geraucht. Die perfide Doppelmoral, anderen das zu verbieten, was mensch selber jahrelang für sich in Anspruch genommen hat, gehört in diesem Denken zum Prinzip. Die Moralisierungen der neu Bekehrten gegenüber denen, die gar keine Lust haben, sich bekehren zu lassen, ist bekannt aus allen sektiererischen Erweckungsbewegungen.
Es ist dies eine Überanpassung, mit der die Neuangepaßten ihre Loyalität unter Beweis stellen wollen – in diesem Fall gegenüber der sich gegen den Rauchgenuß wendenden Ideologie. Ursache dürften nicht unwesentlich die weiter vorhandenen eigenen Lüste nach einer Zigarette und die daraus und aus dem früheren Rauchen entstehenden Schuldgefühle sein.
Eine ganz ähnliche aber für die betroffenen jungen Frauen sehr viel tragischere Erweckung ist zurzeit in Polen bei älteren Frauen und Männern zu sehen. Da verdammen viele ältere Frauen, die in ihrer Jugend selbst die Möglichkeit der Abtreibung straffrei und staatlich finanziert in Anspruch genommen haben, und ihre Männer, die sie dazu gedrängt haben, heute die Abtreibung, und diejenigen die abtreiben und abtreiben lassen. Was im Zusammenklang mit der katholischen Kirche zum Verbot der Abtreibung führte und zur politischen Verfolgung von Frauen, die sich für die straffreie Abtreibung engagieren.
Diese Abarbeitung eigener Schuldkomplexe auf dem Rücken anderer ist krank und völlig inakzeptabel. Menschen, die sich zu was auch immer bekehren lassen muß klargemacht werden, ihre Schuldgefühle ob ihres früheren Lebens doch bitte an sich selbst auszulassen, und nicht an denen, die nur die gleichen Rechte, wie sie sie früher beansprucht haben, heute für sich beanspruchen. Das gilt auch für Antiraucherinnen und Antiraucher, die früher geraucht haben. Wobei die Konversion von Lust in Schuld für mich das eigentliche Problem darstellt. Aber ich will Antirauchern und Antiraucherinnen auch nicht ihre Religionen verbieten, solange sie andere damit in Ruhe lassen. Das ist nur leider kaum zu erwarten.
Tatsächlich ist es so, daß wir, wenn wir uns über das Rauchen streiten, meist über sehr viel mehr reden, als über das Rauchen. Denn stets schleppen wir all die Zusatzbedeutungen, die auf das Rauchen im obigen Sinne übertragen werden, mit herum. Das heißt, reden wir über das Rauchen, so reden wir gleichzeitig über unser Verständnis von Lust, Genuß, Freiheit, Rücksichtnahme, Leiblichkeit, Disziplin, Leistung. Die Diskussion geht um unser Menschenbild, um unser Verständnis eines freien und selbst bestimmten Lebens und unsere Vorstellung von Gesellschaft. Ähnlich wie die Diskussion um die männliche und weibliche Schreibweise, um weibliche Endungen und das große I, erfüllt also auch die Diskussion um das Rauchen eine sehr viel weitergehende Funktion. Und wird beim großen I um das grundsätzliche Verhältnis der Geschlechter zueinander gestritten, und dementsprechend heftig und unnachgiebig, so geht es beim Rauchen um unser Verhältnis zur Lust und zur Leiblichkeit. In beiden Fällen ist es wichtig die Diskussion hinter der Diskussion zu sehen, um die Heftigkeit des Streits und seine Funktion zu verstehen. Es handelt sich hier um symbolische Auseinandersetzungen. Der Versuch dies zu bestreiten dient nur dazu, einen rationalen Umgang zu verhindern.
Denn solange Amtsrichter und Professoren so tun, als ginge es beim großen I nur um eine Sprachregelung und nicht um mehr, fällt es ihnen leicht die Gegenseite lächerlich zu machen. Und solange die Antiraucherinnen und Antiraucher so tun, als ginge es tatsächlich primär ums Rauchen, müssen sie nicht befürchten, daß all ihre lust- und leibfeindlichen Kontrollphantasien, ihr beengtes Menschenbild und ihre Verstärkung autoritärer Sicherheits- und Sauberkeitspolitiken zur Sprache kommen, und auch nicht die daraus resultierenden Widersprüche und Absurditäten.
(Fortsetzung, morgen Sonntag)
P.S. Sackstark! kann in etwa nachempfinden, weshalb ihr das Binnen I wichtig ist, hält es dennoch, im Gegensatz zum restlichen Text, für völlig bekloppt! Es behindert nur den Lesefluß und erzeugt doppelt soviel Papier zum Schaden der Mutter Erde. Wir geben diesem Modetrend kein langes Überleben.
Revised by Carolus Magnus
Zurzeit noch nicht sicher, ob es durchkommt, aber der Antrag im Parlament vom Staat Mississippi (USA) wurde gestellt. Und es scheint gar nicht mal so schlecht auszusehen für die Antragsteller.
Kernpunkt: Danach dürfen Leute mit einem BMI (Body mass index) von über 30 nicht mehr bedient werden in Restaurants. Das heisst, sie dürfen nichts essen.
Quelle
Es ist nicht zu glauben!
Hast du was anderes erwartet?
Das ist der Grund, weshalb ich gegen das weltweit konzertierte Rauchverbot anzukämpfen versuche! Nicht das isolierte Rauchverbot ist gefährlich oder stört mich, sondern was bei Akzeptanz und Durchsetzung danach noch kommt. Lasst uns hoffen, dass es nicht durchsetzbar ist. Die Chancen dazu sind hoch! Dennoch möchte ich kein Risiko eingehen.
Wird das Bollwerk Rauchen erstmal längerfristig erfolgreich geknackt und das Verbot umgesetzt, öffnen sich die Schleusen des Bevormundungsstaates und der Ideologie eines Übermenschen unkontrolliert.
Davor habe ich Angst. Mir ist die Freiheit wichtiger als die Gesundheit oder ein hohes Alter. In einer unfreien Gesellschaft will ich nicht mehr leben!
Am 15.02.2008 kommt auf ARTE die Wiederholung «Qué sera», eine Dokumentarfilmserie, heute um 18:00 Uhr von mir gesehen, sogar auf CH-dt. mit Untertiteln in Hochdeutsch über Alte Damen im Altersheim (Jg. 1912-1924) und Kinder. Die dreijährigen Kinder redeten intelligenter daher, als die Alten.
So alt und in einem solchen Zustand möchte ich mein Leben nicht beschliessen.