Eine heuchlerische Gesellschaft
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Derweil man noch immer fieberhaft auf der Suche nach einem der 3301 bisher unauffindbaren «Passivrauchtoten» ist, inhalieren Kinder fröhlich seit zum Teil über 35 Jahren in Schulen gefährliche Gifte.
Die gesundheitlichen Folgen werden wohl dem Gespenst ‹Passivrauch› zugeordnet werden, um sich wegen des zur Zeit vorherrschenden Hypes um den Passivrauch später nicht blamieren zu müssen und um Schadenersatzklagen besser abwehren zu können, während Experten schon seit Jahrzehnten warnen:
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Schulen machen krank
Gesundheitsgefährdendes PCB in Dehnungsfugen, giftige Kleber in Fußböden und Schimmelpilz an den Wänden machen seit Jahren Schüler und Lehrer krank, warnen Umweltmediziner. Die ständige Belastung durch Schadstoffe führe zu Allergien, Konzentrations- und Leistungsschwächen sowie zu einem erhöhten Krebsrisiko. Schätzungen zufolge sind 5.000 Schulen betroffen.
Besonders hoch sei die Belastung in Schulen, die in den 60er und 70er Jahren gebaut wurden, so Gesundheitsexperten. Hier sind es vor allem Asbest, polychlorierte Biphenyle (PCB) und Formaldehyd, denen Schüler und Lehrer täglich ausgesetzt werden. Der jüngste Fall wurde erst vor zwei Wochen bekannt: In der Pestalozzi-Förderschule in Marburg wiesen Messungen während der Schulferien hohe Werte des verbotenen Umweltgiftes PCB nach. Das mache, so Bürgermeister Franz Kahle, ein sofortiges Reagieren erforderlich.
Auch neue Schule betroffen
Doch eine Sanierung sei erst für Anfang 2008 geplant. Bis dahin hofft nun Kahle, dass sich die Werte durch entsprechende Reinigung und Lüftung nicht noch weiter verschlechtern. Denn das, so fürchtet der Bürgermeister, hätte die Sperrung der Schule zur Folge. 90 Schüler und etwa 20 Mitarbeiter sind betroffen.
Doch auch in neu gebauten Schulen tauchen immer wieder gefährliche Schadstoffe auf, wie Schimmelpilze und so genannte «moderne Weichmacher», die Allergien auslösen können, sagt Umweltmediziner Dr. Frank Bartram. Häufig sei es eine Kombination verschiedener Umweltgifte, die regelmäßig auf Schüler und Lehrer einwirken. Das könne zu einer Schädigung des Nervensystems, der Schleimhäute und des Immunsystems führen, so Bartram.
Mythen-Post Isolationsmaterial (u/upd. 2018-07-19)
Kranke Lehrer
Zwar fehle es bisher an Langzeitstudien, doch könne man jetzt schon festhalten: «Je jünger jemand ist, der zum Beispiel nervengiftigen Substanzen ausgesetzt ist, desto schlechter kann sich das Nervensystem, sowohl das zentrale als auch das periphere Nervensystem, entwickeln, und das kann Auswirkungen haben, sogar auf die Intelligenz dieser heranwachsenden Menschen.»
Krank durch Gift an seiner Schule wurde auch Wolfgang Krug. Jahrelang lehrte er an der Friedrich Ebert-Grundschule im hessischen Baunatal, zuletzt stand er als Rektor der Schule vor. Heute ist Krug frühpensioniert, er leidet unter Hodenkrebs. Krug ist überzeugt: Seine Krankheit wurde durch PCB-Dämpfe im Schulgebäude ausgelöst. Auch im ehemaligen Lehrerkollegium gäbe es mehrere Fälle von Krebserkrankungen.
Schnelle Sanierungen gefordert
Als weder Schul- noch Gesundheitsbehörde etwas unternahmen, waren es die Lehrer selbst, die dafür sorgten, dass ihre Schule geschlossen und abgerissen wurde. Dabei stellte sich heraus: Das Gebäude, das hunderte Schüler und Lehrer jahrelang fast täglich besuchten, war nicht nur mit PCB, sondern auch mit Formaldehyd, Lösungsmitteln und Schimmelpilzen stark belastet.
Experten fordern seit langem umfassende Schadstoff-Untersuchungen für alle Schulen und schnellste Sanierungen betroffener Gebäude. Darüber hinaus drängen sie auf die Einführung einer strengen europäischen Chemikaliengesetzgebung – zum Schutz der Kinder vor gefährlichen Umweltgiften im Alltag.