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Nahe am Abgrund
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Und Sie meinen, Sie hätten Schwierigkeiten? Am 14. Juli war der französische Nationalfeiertag. Er markiert den Anlaß, an dem sich die Massen erhoben und die Bastille stürmten, und einige Dummköpfe und soziale Widersacher befreit haben. Historisch betrachtet war es nur ein kleiner Kaminbrand. Aber schon bald stand das gesamte Land in Flammen.
Die Franzosen hätten gleich merken sollen, daß die Revolution mehr Schwierigkeiten als Nutzen bringen würde. Einige Jahre später war Frankreich pleite, stand im Krieg, und die führenden Bürger schlugen sich auf die Seite des Feindes über. Nicht nur das, zudem starben auch noch Hunderttausende an den Pocken.
Aber das ist das Problem mit der Geschichte, es gibt keine Möglichkeit, ein back-up zu erstellen. Und am Ende steht man nie da, wo man erwartet hatte, anzukommen.
Die französische Revolution hat die Situation nicht so sehr verändert, wie die Leute dachten», sagt ein Freund von mir, ein Historiker. Es hat eine autoritäre, zentralisierte Regierung in Paris gegen eine andere ausgetauscht.»
Es gibt keine Möglichkeit, die Geschichte aufzuhalten. Wenn die Flügel einmal abgefallen sind, dann wird das Flugzeug auch abstürzen, es gibt nicht viel, was man dagegen tun kann.
Die Französische Revolution hat relativ ruhig begonnen. Eine «Reform» war, was jeder zu wollen schien. Es wurden Versammlungen eingerufen. Verschiedene Reformen wurden diskutiert und umgesetzt. Eine Zeitlang sah es so aus, als würde Frankreich den Übergang auf zivilisierte Weise bewältigen können. Aber die Sache hat sich unvermeidlich aufgeheizt. Eine kleine Zahl von Aristokraten ist nach England, Österreich und Deutschland geflohen. Dort haben sie für Schwierigkeiten gesorgt.
Schon bald stand Frankreich mit seinen Nachbarländern fast im Krieg. Selbst der König versuchte zu fliehen. Und dann, als sie sich selbst von Feinden an ihren Grenzen umzingelt sahen, gesättigt waren von Verrätern, Saboteuren und Terroristen in der Heimat, fing der Terror an, das gesamte Land in die Zange zu nehmen. Die Punkte wurden ausgezählt. Man rächte sich. Und bis dahin hatten 30.000 Bürger ihre Köpfe verloren.
Und als die Schlachterei, die Kriege, die Epidemien endlich vollständig verschwunden waren… befand sich Frankreich wieder in den Händen eines Monarchen, eines Monarchen, der noch mächtiger war, als Louis XVI.
Derweil haben wir heute unsere eigenen Probleme, mit denen wir uns befassen müssen. Und auch hier gibt es kein back-up.
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Fannie & Freddie – Finito
Jetzt tritt der Kampf zwischen Inflation und Deflation in die heiße Phase ein. Beide Seiten haben Ende vergangener Woche schwere Angriffe ausgeführt.
Ja, die düsteren Zwillinge der Hypothekenfinanzierung haben die Nachrichten gefüllt. Jede Finanzseite hat sich mit diesem Thema befaßt. In einem Beitrag ging es darum, daß sich die Regierung zu einer Rettungsaktion aufrafft. In einem anderen ging es darum, daß die Zentralbank ihr Diskontfenster geöffnet habe. An einer weiteren Stelle konnte man lesen, daß der amerikanische Finanzminister bestritt, daß man irgendwelche außergewöhnliche Hilfe bräuchte. Und in einem letzten Beitrag konnte man eine Erklärung finden, wie es überhaupt zu diesem Durcheinander kommen konnte.
Natürlich wissen meine Kollegen und ich, wie sie es geschafft haben, sich selbst in einen solchen Schlammassel zu bringen. Sie haben Geld an Leute verliehen, die es nicht zurückzahlen konnten. Und sie waren nicht die einzigen.
«Die Krise verschärft sich, nachdem die Banken Schiffbruch erleiden», fügt das Wall Street Journal hinzu. Die große Bank heißt IndyMac. Es ist die größte Bankenpleite seit Continental Illinois im Jahr 1984 in den Sand gebissen hat. Ein großer Teil des Geldes der Sparer ist durch die FDIC-Versicherung geschützt. Aber es gibt immer noch eine Milliarde Dollar, die nicht versichert sind. Und natürlich kann die FDIC nicht alle mit Finanzmitteln versorgen, sie haben auch nur eine bestimmte Menge Geld.
«Die Analysten gehen davon aus, daß noch mehr Banken Pleite machen werden», berichtet der International Herald Tribune.
Die FDIC kann einige dieser Banken mit Finanzspritzen versorgen, aber nicht alle. Und es gibt keine Möglichkeit, daß man Fannie und Freddie das nötige Geld gibt. Zusammen besitzen die Zwillinge mehr als 5 Billionen an Verpflichtungen. Das ist mehr als ein Drittel des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts. Und der einstige Zentralbankvorsitzende William Poole sagt, daß sie bereits zahlungsunfähig sind.
Die Investoren hingegen harren weiter aus – aber nur noch knapp. Fannie’s Aktien sind auf 10,25 Dollar abgestürzt. Freddie sank auf 7,75 Dollar. Das ist gegenüber den Spitzenwerten dieser Aktien ein Verlust von 87%.
Fannie und Freddie sind zu groß, um Pleite zu gehen, darüber besteht kein Zweifel. Aber wer hat das Geld, um sie davon abzuhalten? Wo sind diese großen Sovereign Wealth Funds, wenn man sie einmal wirklich braucht? Man darf bezweifeln, daß sie so dumm sind, es wirklich zu tun, aber was wäre das für ein Coup? Gemeint ist, wenn ein Sovereign Wealth Funds Amerikas größten Kreditgeber finanzieren würde. Bislang haben sie sich mit kleineren Aufkäufen von Amerikas ikonischen Gebäuden, von Infrastruktur und Betrieben zufrieden gegeben. Aber wenn sie die Kontrolle über Fannie und Freddie kaufen würden, dann würden sie auch die Hypothek auf Amerikas Wohnimmobilien in Händen halten. Und sie könnten so Billionen ihrer unerwünschten Dollars los werden. (Ausländische Banken besitzen heute schon große Anteile an den Schuldtiteln von Fannie und Freddie.)
Aber bislang sieht die Finanzierung eher so aus, als würde sie aus heimischen Quellen stammen. Ben Bernanke hat am vorvergangenen Wochenende den Geschäftsführer von Freddies angerufen. Man geht davon aus, daß der Vorsitzende der Zentralbank wissen ließ, daß das Diskont-Fenster kurz darauf ein wenig weiter geöffnet werden würde – weit genug um direkt an Fannie und Freddie zu verleihen. Das wird ihnen Zugriff auf Geld mit bevorzugtem Zinssatz geben – ungefähr zur Hälfte der Wachstumsrate der Verbraucherpreisinflation. Man könnte meinen, daß man so ein Vermögen machen kann – wenn man so günstig Geld leihen könnte. In «normalen» Zeiten, würde es ein Kinderspiel sein. Aber in Kriegszeiten ist es schwer, Geld zu verdienen – selbst dann, wenn die Kreditgeber die Kredite ohne Kosten herausgeben. Ganz egal, wo man sein Geld deponiert, es besteht immer die Gefahr, daß es in die Luft geht.
Es ist weder eine gute Zeit, Kreditgeber zu sein, noch eine gute Zeit, Kreditnehmer zu sein. Und es ist eine schlechte Zeit für Investoren.
Alle Aktienmärkte der Welt sind heute offiziell Bärenmärkte. England war der letzte Markt, der die 20%-Linie durchbrochen hat. «Der FTSE ist offiziell ein Bärenmarkt» berichtet die Financial Times am vorvergangenen Wochenende – die Aktien sind gegenüber dem Hoch von Oktober um 22% gefallen.
Investmentgurus und Wall Street Experten sagen uns, es sei eine großartige Möglichkeit. Sie gehen davon aus, daß sie die Talsohle gesehen haben.
Aber hat man es nicht täglich mit Talsohlen zu tun? Es gab in den vergangenen 108 Jahren nur vier große Talsohlen, heißt es von der Financial Times – 1921, 1932, 1949 und 1982. Sie bilden eine Reihe wichtiger Punkte. Zwischen den am dichtesten auseinander liegenden lagen 11 Jahre. Und die letzten beiden trennten 33 Jahre. Auch kommt es nicht am Anfang einer Rezession zu einer nennenswerten Talsohle, sie werden eher gegen Ende erreicht, wenn eine Wirtschaft bereit ist, für einen weiteren Wachstumsspurt.
Sie werden auch nicht erreicht, wenn Aktien, wie heute, noch immer relativ teuer sind. Sie ereignen sich, wenn die Aktien billig sind. Wenn sie für ein KGV von fünf bis acht verkauft werden, und nicht von 10 bis 15. Sie haben auch die Neigung, daß sie erreicht werden, wenn der Dow und der Goldpreis in der Nähe von eins-zu-eins liegen. Unmittelbar vor der Talsohle von 1982 konnte man beispielsweise den gesamten Dow für eine einzige Unze Gold kaufen. Heute braucht man dazu fast 12 Unzen!
Was noch wichtiger ist: Eine echte große Talsohle wird nicht dann erreicht, wenn man danach sucht. Sie kommt, wenn man bereits aufgegeben hat, wenn die Investoren das Interesse an Aktien verloren haben. Man wird sich vielleicht noch daran erinnern, daß auf einer berüchtigten Titelseite von Business Week vom Sommer 1982 stand: «Das Ende der Aktien». Niemand ist damals davon ausgegangen, daß man die Talsohle erreicht habe. Sie dachten, Aktien seien gestorben.
Man darf davon ausgehen, daß wir uns noch immer in dem Bärenmarkt befinden, der im Januar 2000 begonnen hat. Nach 2002 führte die größte, rücksichtsloseste Expansion von Krediten zu einer der größten Bärenmarktkorrekturen in der Geschichte. Dennoch haben die Aktien in den Vereinigten Staaten nie einen neuen Höchstwert erreicht, wenn man sie mit Gold, Öl oder mit an die Inflation angepaßten Dollars bewertete. Und jetzt sind sie wieder auf dem Weg nach unten – selbst nominell.
Ja, es liegt eine Talsohle vor uns. Und man wird in der Lage sein, sie kommen zu sehen. Aber erst nachdem man vergessen hat, danach zu gucken.
2 thoughts on “Kriegen wir diesmal noch die Kurve?”