Island: Renitente Wikinger zahlen nicht

Eine Glosse

von

Josef Joffe

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Island-blaue-lagune

Blaue Lagune in Island

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Im Lande der Germanen, also Deutschland, gilt: Ans Mittelmeer reisen, immer; dort leben, niemals. Denn diese Welschen, Spanier, Griechen sind zwar lustige Leut, Lebensart haben sie auch und Sonne sowieso, aber Verantwortungsbewußtsein, Disziplin und Sparsamkeit, all diese protestantischen Tugenden gehen ihnen doch ab, nicht wahr?

In der Tat sind Spanien und Griechenland heute die Sorgenkinder der EU, weil sie ziemlich zahlungsunfähig sind. Dazu kommt Irland. Aber Island, sozusagen die Schweiz im Nordatlantik? Dieses germanische Volk hat’s gleich doppelt auf dem Kerbholz. Erst holen isländische Banken mit astronomischen Zinsen das sauer verdiente Geld von (hauptsächlich) Briten und Holländern ins Land, dann gehen ihre Banken, vorweg die Landesbanki, Pleite.

Und jetzt drehen sie den Briten, die knapp vier Milliarden Dollar im Lande der Geysire deponiert haben, eine lange Nase – und den Niederländern (mit knapp zwei) ebenfalls. Das läuft so. Die Regierungen in London und Den Haag hatten Mitleid mit ihren Landsleuten und ersetzten ihnen die Verluste. Dann forderten sie das vorgestreckte Geld von Island zurück.

Nix da. Gerade hat der Präsident mit dem passenden Namen Grimsson ein Gesetz mit seinem Veto belegt, das die Rückzahlungen – immerhin fast sechs Milliarden Dollar über 15 Jahre plus Zinsen – autorisiert hatte. Jetzt muß das Volk in einem Referendum entscheiden, ob Island zu seinem Wort steht. Die Meinungsumfragen aber sagen: Pustekuchen, machen wir nicht.

Die Reaktion des internationalen Kapitalismus war schnell und grausam. Eine Rating Agentur hat isländische Obligationen als «Junk» – Schrott – eingestuft, die isländische Währung als «BBB-plus», was nicht viel besser ist.

Die Mittelmeer-Anrainer und Irland haben es besser; als EU-Mitglieder werden sie irgendwie «geholfen werden». Aber Island gehört bloß zur Nato, und die hat kein Geld. Was kann dann der Rest der Welt tun?

Früher wurde ein renitenter Kleinstaat einfach besetzt, später wie ein normaler Bankrotteur behandelt. Das heißt: Ein anderer Staat oder eine Staatengruppe (wie heute der Weltwährungsfonds) übernimmt wie ein Insolvenzverwalter die Geschäfte.

Welche wären das in Island? Man könnte die Eintrittsgelder für die «Blaue Lagune» pfänden. Dann gibt’s da noch Kartoffeln, Gemüse, Schafe und eine fischverarbeitende Industrie plus Aluminium-Schmelzen und geothermische Elektrizität (die sich allerdings schlecht einpacken und wegtransportieren läßt). Die besagten sechs Milliarden machen zwei Fünftel des Bruttoinlandproduktes aus. Jeder Isländer schuldet statistisch 20.000 Dollar.

Es hilft nichts: Wir müssen sie als Gastarbeiter in die EU holen, damit sie hier ihre Schulden abarbeiten. Sie würden hier geothermische Anlagen bauen und diese wunderbaren Island-Pullover stricken. Eine Bereicherung für die gesamteuropäische Zivilisation, wenn auch nicht unbedingt im Kulinarischen. Dann würden wir sie mit «Üb immer Treu und Redlichkeit» wieder nach Hause schicken und in die EU aufnehmen. Sie hätten ihre Lektion gelernt und würden sich so diszipliniert verhalten wie … wie … Spanien, Irland und Griechenland.

Erstveröffentlichung: zeit-online (Es gibt Texte, die schreibt auch Sackstark nicht besser. Deshalb kommt Josef Joffe hier uneingeschränkt zu Wort.)

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Carolus Magnus

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15 thoughts on “Island: Renitente Wikinger zahlen nicht

  1. @ «(…)In der Tat sind Spanien und Griechenland heute die Sorgenkinder der EU, weil sie ziemlich zahlungsunfähig sind. Dazu kommt Irland….)»

    Und wie steht es um Portugal (Arbeitslosigkeit 2008: 8% steigend!), um Ungarn und um Rumänien? Die beiden letzteren sind bankrott.

    Aber schon stehen die Ukraine, Serbien, Kroatien… vor der EU-Tür! das bedeutet in der Redeart der EU erweiterter Markt und jeder, der davon profitieren will, muss Kohäsionsbeiträge bezahlen – auch die Schweiz.

    Was hat der erweiterte Markt um Rumänien und Bulgarien gebracht? Nichts ausser Sozialisierung!

    Auf dem Korruptionsindex 2009 von Transparency International erreichte Bulgarien Platz 71 von 180. Es ist das schlechteste Ergebnis innerhalb der EU zusammen mit Rumänien und Griechenland.

    Wann ist die EU bankrott?

    Hoffentlich stimmt das isländische einer Rückzahlung nicht zu. Das Volk wurde von den Bankiers bestimmt nie um die Meinung gebeten, wie das Geld angelegt werden soll. Die Verantwortlichen werden Schuldscheine unterschreiben und vielleicht eine Weile hinter schwedischen Gardinen die nächsten Aktionen bedenken…
    Einmal mehr: Ein Problem zwischen Führern und Verführten…!

  2. Im Tagesanzeiger konnte man lesen, dass jeder Isländer mit einer halben Million Euros verschuldet ist.
    Mir war es unklar, ob privat oder ob es der Staat ist.

    Wann geht Island pleite und welche Auswirkungen hat das?

    1. Diese 6 Milliarden seien 2/5 des BIP

      CIA-Factbook sagt, die Auslandschulden betragen das Zehnfache des Gross Domestic Product (GDP)

      Gross Domestic Production

      GDP = Privatkonsum + Bruttoinvestitionen + Staatsausgaben + (Exporte – Importe)
      Öffentliche Schulden 56.3 % des GDP (2008 geschätzt) – an 28. Stelle der Welt.
      2002 waren es noch 3,073 Milliarden USD
      M1 nach US-Definition = 6.64 Milliarden USD (2007 geschätzt)
      M2 nach US-Definition = 15.05 Milliarden USD (2006 geschätzt)
      Bankkredite an Private oder Firmen = 49.67 Milliarden USD (2006)

      Stellt man das GDP mit dem BIP gleich so sind die 6 Milliarden

      Schulden 6 Milliarden, nur GB und NL
      184.000 Arbeiter x GDP pro Kopf = 42.300 USD = 7,7832 Milliarden Arbeitsproduktion p.a.

      dann müßten die Isländer für nur diese eine Schuld 10.7 Monate kostenlos in ganz Europa arbeiten gehen.

      Nimmt man die Einwohnerzahl, sieht es anders aus: Einwohner per 2009/07 = 306.694
      7,7832 Milliarden / 306.694 Einwohner(!) = 25.377 USD Schulden pro Kopf

      Weitere ausgewählte Daten:

      GDP pro Kopf = 42.300 USD

      Einwohner per 2009/07 = 306.694
      Einwohner 15 – 64 Jährige 104.584

      Elektrizität

      Produktion 11.71 Milliarden kWh (2007)
      Konsum 11.22 Milliarden kWh (2007)
      Strom-Export – keinen
      Strom-Import – keinen

      Öl
      Produktion – keine
      Konsum – 19.880 Barrels/Tag (2008)
      Export – 2.975 Barrels/Tag (2008)
      Import – 17.510 Barrels/Tag (2008)

      Gas wird nicht benötigt oder gebraucht. Island hat eigene geothermische Anlagen.

      Nettohandelsbilanz

      2007 3.178 Milliarden
      2008 5.399 Milliarden

      2008 geschätzt
      Inflationsrate (2008) 12.7 %
      Inflationsrate (2007) 5.1 %

      Budget:
      Steuereinnahmen 6.657 Milliarden USD
      Staatsausgaben 6.856 Milliarden USD

      Zentralbank-Diskontrate 22 % (Dezember 2008)

      Personen Einkommen unter dem Existenzminimum – keine
      Anzahl arbeitende Bevölkerung 184.000
      Arbeitslosenrate 1.6 %

  3. @ kikri …1/2 Mio EUR Schulden/Person

    Es kann sein, aber auch nicht. Falls ja, müssen die kaum noch Steuern bezahlen…

    Und wäre dem so, sämtliche Isländer wären schon längst gevogtet!

    Die einzelnen Personen können wahrscheinlich besser haushalten, als der Staat, seine Institutionen und seine Finanzsachverständigen.

  4. @ Carolus: «(…) …dann müßten die Isländer für nur diese eine Schuld 10.7 Monate kostenlos in ganz Europa arbeiten gehen….)»

    Schnell gerechnet und schnell gelöst. Und wo in Europa sollten diese Isländer arbeitren? Etwa in Spanien oder in Rumänien oder in Griechenland? Oder etwa in der schwedischen Automobilindustrie?

    Diese armen Isländer – und über die Zocker, die das alles verursacht haben gibt es wohl kaum etwas zu schreiben!?

    1. Diese armen Isländer – und über die Zocker, die das alles verursacht haben gibt es wohl kaum etwas zu schreiben!?

      Privatisierung des Bankensektors in Island war der Auslöser!

      Iceland’s Scandinavian-type social-market economy combines a capitalist structure and free-market principles with an extensive welfare system, including generous housing subsidies. Prior to the 2008 crisis, Iceland had achieved high growth, low unemployment, and a remarkably even distribution of income. Government economic priorities have included stabilizing the krona, reducing the current account deficit, containing inflation, restructuring the financial sector, and diversifying the economy. The economy depends heavily on the fishing industry, which provides 40% of export earnings, more than 12% of GDP, and employs 7% of the work force. It remains sensitive to declining fish stocks as well as to fluctuations in world prices for its main exports: fish and fish products, aluminum, and ferrosilicon. Iceland’s economy has been diversifying into manufacturing and service industries in the last decade, with new developments in software production, biotechnology, and tourism. Abundant geothermal sources have attracted substantial foreign investment in the aluminum and hydropower sectors and boosted economic growth, although the financial crisis has put several investment projects on hold. Much of Iceland’s economic growth in recent years came as the result of a boom in domestic demand following the rapid expansion of the country’s financial sector. Domestic banks expanded aggressively in foreign markets, and consumers and businesses borrowed heavily in foreign-currency loans, following the privatization of the sector in the early 2000s. Worsening global financial conditions throughout 2008 resulted in a sharp depreciation of the krona vis-a-vis other major currencies. The foreign exposure of Icelandic banks, whose loans and other assets totaled more than 10 times the country’s GDP, became unsustainable. Iceland’s three largest banks collapsed in late 2008. The country negotiated over $10 billion in loans from the IMF and other countries to stabilize its currency and financial sector, and to guarantee foreign deposits in Icelandic banks. A protracted recession is expected in 2009 and 2010 with GDP likely to contract and unemployment likely to surpass 10%. The collapse of the financial system has led to a major shift in opinion in favor of joining the EU and adopting the euro. Previous opposition to this move stemmed from Icelanders› concern about losing control of their fishing resources. Iceland’s coalition government collapsed in January 2009 following protests over growing joblessness and losses to personal savings.

  5. @ Carolus: …Privatisierung des Bankensektors in Island…
    Und warum soll das Volk nun bezahlen?
    Privatisierung ist das Grundübel der «Neuen Weltregierung», die sich offenbar ohne Gesetzesgrundlagen zu etablieren beginnt. Man muss nur konsequent die Verursacher zur Verantwortung ziehen.
    Wenn alle Macht bei den «Privaten» liegt, wird es mindestens so schlimm, wie in einer Diktatur. Das eine Über wird wie das andere angegangen, beinnend mit sozialen Unruhen…

  6. Ach, von wegen Privatisierung. Schaut euch nur mal die diversen Staatsbanken in Deutschland, die haben doch am schlimmsten geschludert und Geld verbrannt. Banking gehört zu den vielen Aufgaben, die ein Staat sinnvollerweise nicht übernehmen darf.

    Der Punkt ist der: Eine Bank kann wie jedes andere Unternehmen pleite gehen. Der Markt kann mit Schwarzen Schafen gnadenlos umgehen, leider ist es dazu nicht gekommen. Denn die Regierigen zahlen gerne Unsummen an die mächtigen Bankkonzerne, eben weil diese mächtig sind und angesichts der riesigen Verschuldungen die meisten Staaten dieser Welt ohnehin nicht mehr dem Volk, sondern den Hauptgläubigern, den Banken, gehören. In diese Misere Staatsverschuldung haben uns übrigens nicht zuletzt die politisch ‹Roten› mit ihrem Händchen fürs Geldausgeben gebracht.

    Und in Island hat genau die Extremmaßnahme der Bankenverstaatlichung dann zum Staatsbankrott geführt.
    Im Grunde müsste man Joffe beim Wort nehmen: Die Schweiz kauft Island auf und nutzt es künftig als nordeuropäische Filiale 😉

    Und leid tut mir das Land nun wirklich nicht. Ein Nannystaat, in dem es viel zu kalt ist, und den die Gutmenschen einer UN-Organisation seit Jahren mit einem ganz vorderen im Ranking der höchst entwickelten Länder ehren. Nachdem es seinen Nutzen als Geldablageplatz jetzt offenbar verloren hat, ist das Land höchstens noch für ein paar Prohibitionisten interessant.

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