Folgen des Rauchverbots: Psychiatrisches Fachpersonal steigt wegen Überlastung aus dem Beruf aus

Seit Rauchverbot ist die Psychiatrie in permanentem Ausnahme­zustand

Der Personalmangel trifft den psychiatrischen Bereich äußerst hart. Die Auswirkungen zeigen sich besonders drastisch am Beispiel des Kantons Bern.

Rauchverbot:

quidquid agis, prudenter agas et respice finem

Zusätzlich Stellenstopp ausgerechnet zu Beginn der Pandemie

WOZ – Von Adrian Riklin und Sarah Schmalz

KONFLIKTE MIT ARBEITGEBERN BESSER VERMEIDEN

Der Druck scheint enorm zu sein: Die Initianten eines offenen Briefes an den Berner Gesundheitsdirektor Pierre-Alain Schnegg (SVP) wollen jedenfalls nicht mit der WOZ sprechen – auch nicht anonym. «Wir möchten […] Veränderungen im System anregen, nicht anklagend auf Einzelne zeigen. […] Zudem sind wir alle hochprozentig [mit Schnaps oder wie?] in psychiatrischen Institutionen im Kanton Bern angestellt und wollen keinen Interessenkonflikt mit unseren Arbeitgebern auslösen», schreiben sie auf Anfrage.

URSACHE RAUCHVERBOT

Seit Einführung des Schweizer Rauchverbots am 1. Mai 2010, das nur über ein zuvor Bevölkerung-dressierendes Jahrzehnt mit medialer, täglicher ununterbrochener Medien-Bombardements  auf sämtlichen Kanälen, von diesen während eines unerträglich langen Jahrzehnts mit der Zeit fast alle in selbstzweifelnde Verunsicherung getrieben hatte und für viele Menschen mit negativen gesundheitlichen Folgen (ähnlich wie bei der C-19-Grippe) endete. Noch heute trifft man auf derart penetrant vom Staats-Sanitarismus in psychische Krankheit getriebene, völlig desorientierte, verunsicherte Menschen, die man mit einer anhaltend diagnostizierten, persistenten Kapnophobie einst geistig gesunder Menschen in den Wahnsinn trieb; und die auch nach 15 Jahren noch immer darunter leiden. Einige suchten sogar in staatlich subventionierten, militanten Misokapnisten-Camps Schutz und Unterschlupf, e.g. mit Namen Pro Hirnlos, Pro Hirnfrei, oder so ähnlich in Deutschland und andernorts, die andren in der anerkannten Psychiatrie. Ein ursächlicher Unterschied ist kaum zu erkennen, denn die meisten wollen einfach ihre zuvor als selbstverständlich geltenden, Jahrhundertelang zugestandenen Freiheiten vom Staat, als Knecht der WHO,wieder  zurück haben, ist die Schweiz doch selbst deklaratorisch das angeblich freieste Land der Welt. [Eingefügter Absatz von Sackstark!]

FACHGERECHTE BETREUUNG SCHON LANGE NICHT MEHR GEWÄHRLEISTET

Mit dem Brief hatten sich rund 400 Fachpersonen der Berner Psychiatrie letzte Woche an Schnegg gewandt: Eine «fachgerechte Betreuung» schwer psychisch erkrankter Menschen sei nicht mehr gewährleistet, heißt es darin. Selbst Patienten mit akuter Selbst- und Fremdgefährdung würden vorwiegend von Lehrlingen behandelt, was auf die Gesundheitspolitik der Berner Regierung zurückzuführen sei. «Aufgrund fehlender Ressourcen sind wir gezwungen hinzunehmen, dass wir zu wenig Zeit für unsere Patienten haben», schreiben sie. «Aussichten auf notwendige Maßnahmen zur Behebung der aktuellen Notlage gibt es wenig, was uns an persönliche Grenzen bringt und auch unsere Gesundheit zunehmend gefährdet.»

MEHR GEWALT, MEHR ZWANGSMEDIKATIONEN

Chronik eines Abbaus
Mehr Gewaltsituationen, mehr Zwangsmaßnahmen – und damit verbunden mehr Zwangs-Medikationen und Isolationen: Das psychiatrische System ist in vielen Kantonen am Anschlag. Im Kanton Bern scheint die Situation aber besonders prekär. Meret Schindler, Regionalsekretärin der Gewerkschaft VPOD, sagt: «Die Einführung des leistungsorientierten Tarifsystems fiel hier mit der Privatisierung der Kliniken zusammen.»

EINE PFLEGEFACHPERSON PRO 11 PATIENTEN

2015 strich der damalige Gesundheitsdirektor Philippe Perrenoud (SP) das Budget der drei kantonalen Psychiatriebetriebe zusammen, und zwar um insgesamt 34,5 Millionen Franken bis 2017. Schon damals bedeutete dies den Abbau von 57 Stellen in den Universitären Psychiatrischen Diensten Berns (UPD), die Schließung zweier Stationen im Psychiatrischen Zentrum Münsingen (PZM) sowie den Abbau von 60 Stellen im Hôpital du Jura bernois in Bellelay. 2018 mussten weitere Ambulatorien und Tageskliniken geschlossen werden. Zu Beginn der Pandemie schließlich beschloss der Verwaltungsrat der UPD einen Stellenstopp für Pflegepersonal, Ärzte und Psychologen – trotz zunehmender Notfallzuweisungen und Krankheitsausfällen sowie bereits bestehenden Personalmangels. Da die Sicherheit der Patienten nicht mehr gewährleistet werden konnte, mussten deshalb auch eine Akutabteilung in den UPD sowie zwei in Münsingen geschlossen werden.

Im Frühling 2022 beschwerten sich Angestellte im Psychiatriezentrum Münsingen bei der Geschäftsleitung, wegen des Personalmangels müssten vermehrt Zwangsmaßnahmen ergriffen werden. Im Oktober gelangten auch Ärztinnen und Pflegefachleute der UPD an die Chefetage. Auf 22 Patienten, so berichtete damals der «Kassensturz», kämen nur noch zwei Pflegefachpersonen. «Patienten sind bei uns nicht sicher vor sich selber und vor anderen», sagte eine Pflegefachfrau in der Sendung. Akut Selbstgefährdete und suizidale Personen könnten, vor allem nachts, nicht mehr ausreichend überwacht und betreut werden.

Als Reaktion kündigte die Leitung der UPD im November die Schaffung von siebzehn neuen Vollzeitstellen in der Pflege, einer Meldestelle fürs Personal sowie eine unabhängige Untersuchung an. Doch die Lage scheint sich nicht verbessert zu haben. Das größte Problem sei die enorm hohe Fluktuation, berichtet ein Pflegender, der in einem Ambulatorium der UPD arbeitet, immer wieder im stationären Bereich aushilft und anonym bleiben möchte. Inzwischen sei der Personalmangel so gross, dass etwa ein Drittel der Pflegenden über Temporärbüros angestellt würden.

«Gerade für Patienten mit psychischen Problemen ist es enorm wichtig, eine Hauptbezugsperson in der Pflege zu haben. Jemanden, der sie kontinuierlich auf der Station betreut, Pflegeprobleme erkennt, Ziele definiert und Ansprechperson für die Angehörigen ist», sagt der Pflegende. Seit zwei Jahren sei dies praktisch unmöglich. Die Klinikleitung versuche zwar im Rahmen ihrer Möglichkeiten, der Krise zu begegnen: «Doch die Situation ist kräftezehrend.» (Michael Kaess, ärztlicher Direktor der UPD, wollte am Dienstag aus Zeitgründen keine Fragen beantworten.)

«Die Notlage hat sich in den letzten Monaten nochmals zugespitzt», sagt auch Patrick Weihs, Präsident der Bernischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, der als Facharzt im Ambulatorium Biel tätig ist: «Zu uns kommen immer mehr Menschen, die berichten, dass sie schon lange einen Therapieplatz suchen.» Am schlimmsten sei es in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo der Mangel an Fachärzten besonders ausgeprägt sei.

RÜCKSTAU IN DEN FAMILIEN
Cornelia Hediger ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie mit eigener Praxis in Münsingen. In ihrem Bereich, so Hediger, brauche es eine viel stärkere Zusammenarbeit der Akteure aus Gesundheit, Bildung und Sozialem, «mehr Schulsozialarbeiter für die Früherkennung und einen durchgehenden Versorgungspfad, bei dem die Übergänge funktionieren». Investiere man hier nicht genug, habe das fatale Auswirkungen: «Es gibt einen Rückstau in die Familien, zu den Kinder- und Hausärzten, den Schulen. Das ist, als hätte jemand Krebs, und der würde nicht behandelt.»

Die Krise beginnt also nicht erst in den Kliniken. [Die Exazerbation begann mit den Rauchverboten]. Wie überall in der Schweiz mangelt es auch im Kanton Bern an therapeutischen Angeboten, die über die Grundversicherung finanziert werden. Das 2018 eingeführte Fallpauschalensystem setzt zudem die Ambulatorien und Tageskliniken unter Druck. Udo Finklenburg, Präsident des gesamtschweizerischen Vereins ambulante psychiatrische Pflege, ist selbstständig in der aufsuchenden psychiatrischen Pflege tätig. Er sagt: «Die Krankenkassen entschädigen diese Arbeit mit maximal 76.90 Franken pro Stunde. Die Kantone müssten den Lohn der Pflegenden aufstocken, doch in Bern haben Gesundheitsdirektor Schnegg und der Große Rat die Gelder zusammengestrichen.» Die Wichtigkeit der psychiatrischen Gesundheitsversorgung falle «immer wieder aus dem Bewusstsein der Politik». [aus Angst, selbst einmal in eine solche Situation als Patient zu geraten, wobei die Wahrscheinlichkeit dazu hoch ist (CM)]

Kommunikationsscheue Psychiater
Pierre-Alain Schnegg will zur Situation im psychiatrischen Bereich keine Stellung nehmen. Sein Kommunikationschef schreibt: «Wir werden den offenen Brief beantworten, wobei die Antwort an den Absender gehen wird und nicht an die Medien.» Der Große Rat dagegen ist nun aktiv geworden: Seine Kommission für Staatspolitik und Außen Beziehung forderte Schnegg am Dienstag dazu auf, die Lösung der Versorgungskrise in der Psychiatrie in die strategischen Ziele seiner Regierungspolitik für die nächsten drei Jahre aufzunehmen.

Monatlich(!) verlassen weiterhin über 300 Pflegefachleute den Beruf

Vierzehn Monate nach Annahme der Pflegeinitiative verlassen noch immer über 300 Pflegefachleute monatlich den Beruf. Nachdem das Parlament als ersten Teil der Umsetzung eine «Ausbildungsoffensive» lanciert hat, stellte der Bundesrat letzte Woche Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Aussicht: So etwa sollen Dienstpläne in Zukunft frühzeitig festgelegt und die Sozialpartner zu Verhandlungen über Gesamtarbeitsverträge (GAVs) verpflichtet werden. Das Ziel: ein entsprechendes Gesetz bis Frühling 2024. [Der Frühling hat am 21.03.2024 begonnen: Wir sind gespannt auf das Resultat]

Gewerkschaften und Berufsverbände reagieren kritisch: Ein GAV allein garantiere noch keine guten Arbeitsbedingungen. [Völlig richtig!]. Auch mit dem vorgeschlagenen Zeitplan sind die Vertreter der Pflegefachleute unzufrieden – sie fordern Sofortmaßnahmen. [Welche, sind uns leider unbekannt, können uns diese aber leicht vorstellen.]

[Hinweis: Kommentare in eckigen Klammern und eingefügter Absatz 2 deklariert durch uns]

Quelle:

https://www.woz.ch/2305/gesundheitspolitik/die-psychiatrie-im-permanenten-ausnahme-zustand/!FWCXK3Q0N9V4

Carolus Magnus

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