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Fortsetzung vom Freitag 13.06.2008
Der moderne Anti-Raucher-Fundamentalismus
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Heute ist der Raucher gar für krebskranke Fische schuld
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Doch nicht nur die unsinnige Kausalitätsbehauptung macht Raucher stutzig, irritierend ist auch die ungewöhnliche Sorge, die ihrer Gesundheit zuteil wird. Überzeugend, ja rührend wäre diese Sorge, kämen alle Menschen in ihren Genuß, also auch jene, die sich überarbeiten, die hungern oder sich überfressen, die aus Verzweiflung krank werden. Muß die gezielte Fürsorgekonzentration auf Raucher nicht den Verdacht wecken, damit solle weniger der Raucher geschützt als das Rauchen völlig unterbunden werden, zumal die oberste Weltgesundheitsbehörde eigenartig selektiv vorgeht: Untersuchungen, die eine Gefährdung durch Rauchen nachweisen, werden weltweit publiziert, andere Untersuchungen, die z. B. belegen, daß Haschisch weniger gefährlich ist als Alkohol und Zigaretten, jedoch zurückbehalten. (Stand 2000)
Werbeverbote kontraproduktiv
Alle Gesundheitskampagnen der 60er und 70er Jahre blieben vergeblich. Trotz Werbeverzichts bzw. -verbots in Rundfunk und Fernsehen (Großbritannien 1965, USA 1971, BRD 1974), trotz totaler Werbeverbote (Italien 1962, seither ist die italienische Zigarettenproduktion um über 50 % gestiegen; 1975 Norwegen, 1976 Frankreich, 1977 Schweden, 1978 Finnland), trotz teils drastischer Warnhinweise auf Zigaretten- und Zigarillopackungen (USA 1966, verstärkt ab 1984; BRD 1982: „Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit») ging der Tabakkonsum in einigen Ländern wie den USA nur wenig, in anderen überhaupt nicht zurück und steigt in fast allen noch unterentwickelten Ländern.
Nichtraucher geben sich der Lächerlichkeit preis
Frustriert mußten die Tabakgegner zur Kenntnis nehmen, daß Hinweise auf Gesundheitsfolgen, die nicht jeden Raucher treffen (und wenn doch, dann als Langzeitfolgen erst in fern scheinender Zukunft), wirkungslos bleiben. Aber auch angesichts des Todes sind Patienten mit Infarkten, Krebs oder schweren Gefäßerkrankungen überraschend selten bereit, auf das Rauchen zu verzichten.
Und kaum nachvollziehen können viele Nichtraucher, daß es Menschen und unter ihnen sehr viele Raucher gibt, denen eine um 4 oder 7 Jahre verkürzte Lebenserwartung im Altenheim oder gar auf einer Pflegestation nur recht ist, und die im übrigen wissen, daß der Ausschluß des Risikos Rauchen das Risiko Leben insgesamt nur wenig reduziert. Rauchern erscheint daher nur lächerlich, was täglich nicht nur an den Stränden des Gesundheitsparadieses Kalifornien zu beobachten ist: Schöne, jung sein wollende Menschen, die schon vor dem Frühstück mit Duschgel, Intimspray und parfümiertem Klopapier jeden Körpergeruch entsorgt, jedes Schwitzen unterbunden haben, braungebrannt von Sonne und Strahlern und Bräunungsmitteln, mit Muskeln, deren Aufbaustoffe in den Drugstores säckeweise verkauft werden, schwingen sich auf beinharte, scharfkantige Surfbretter und setzen sich der Brachialgewalt der Wellen aus, bevor sie ihren cholesterinfreien, kalorienarmen oder fetttriefenden, jedenfalls jede Darmbakterie abtötenden Snack verzehren und dabei den vorbeigehenden Raucher auf die Gefährdung seiner Gesundheit hinweisen.
Neue Strategie
Soziologen wir Prof. Graham (Universität Buffalo) erkannten schon in den 60er Jahren, daß Gesundheitskampagnen wirkungslos sind, daß vielmehr am Image des Rauchers angesetzt werden muß. Gelänge es, das Rauchen vulgär, Raucher gar als asozial erscheinen zu lassen, wäre die Wirkung ungleich größer. Hollywood und viele Politiker mit Vorbildfunktion (der fanatische Nichtraucher Hitler, der in seiner Anwesenheit nur Mussolini das Rauchen gestattete konnte sich daran zum Glück nicht mehr beteiligen) und Sportler stellten sich nicht immer ganz freiwillig dieser Strategie zur Verfügung und verzichteten fortan, öffentlich zu rauchen, ohne selbst das Rauchen aufzugeben.
Nichtraucherorganisationen überwachen das Verhalten und erstatten gegebenenfalls Meldung. Kaum ein Kanzler oder Minister, auch wenn sie einst wie Kohl oder Blüm „Raucher des Jahres» waren, wagt es noch, vor laufender Kamera zu rauchen. Wer es sich dennoch erlaubt, wie 1997 Japans damaliger Ministerpräsident Hashimoto, kann verklagt oder wie Königin Margarethe von Dänemark öffentlich beschimpft werden, sie sei mit ihrer Gewohnheit, Gift zu versprühen, für die Jugend ein denkbar schlechtes Beispiel.
Erpreßbar durch Tabak
Die New York Times forderte Arnold Schwarzenegger auf, das Rauchen von Zigarren zu unterlassen, und als James S. Tisch sich um den Vorsitz in einer der größten karitativen Organisationen New Yorks bewarb, stieß er auf vehementem Widerstand, weil er Geschäftsbeziehungen zu einer Tabakfirma unterhält: „Moralität, Ethik, das jüdische Gesetz gegen Selbstzerstörung und der gesunde Menschenverstand legen nahe, daß es als abstoßend gelten muß, wenn ein Tabak-Funktionär als Präsident und „role model» einer jüdischen Föderation amtiert.» Tisch ist übrigens Nichtraucher, aber in Wahrheit ging es bei dieser Auseinandersetzung gar nicht um Tabak, sondern um einen Posten.
Gewalt ja, rauchen nein
Bislang vergeblich allerdings kämpfen Anti-Raucher-Gruppen für die Verbannung des Tabaks aus Spielfilmen. Sah es Anfang der 90er Jahre noch so aus, als würden nur mehr Bösewichte auf der Leinwand rauchen und – mittels digitaler Technik – bald eine rauchfreie Fassung von „Casablanca» erstellt werden, scheint die Zigarette zumindest in schrägen, auch sonst nicht ganz korrekten Filmen wieder als dramaturgisches Mittel akzeptabel. Der Eifer der gewiß gutmeinenden Kontrolleure wirkte allerdings auch zu lächerlich, wenn sie – z. B. die National Lung Association – beklagten, daß in „Pulp Fiction» geraucht wird, aber kein Wort darüber verloren, daß in diesem Film ein Drogenabhängiger mit einer Überdosis Heroin umgebracht wird, ein Kopf explodiert, zwei Männer mit einem Samurai-Schwert geköpft werden… Eine derartige Fixierung auf das Grundübel Rauchen empfinden auch viele Nichtraucher als wahnhaft.
Geschichtsfälschung und Diffamierung
Nicht mehr lächerlich sondern unheimlich ist es, wenn im Stile totalitärer Diktaturen die Tabuisierung des Rauchens Lebensgeschichten verfälschen kann, ohne daß sich Widerspruch regt. Zwar gibt es von Franklin D. Roosevelt kaum ein Foto ohne Zigarette und sogar sein offizielles Autogrammfoto zeigt ihn rauchend, doch keine der vier Roosevelt-Skulpturen seines im Mai 97 eingeweihten Memorials in Washington stellt den Präsidenten mit Zigarette dar. (Erst im letzten Augenblick fiel dem Bildhauer Neil Estern ein, daß es auch korrekter wäre, die First Lady Eleonore ohne ihren typischen Pelzkragen zu modellieren). Und die französische Postverwaltung ließ – wie einst Stalin Trotzki – die Zigarette aus dem Malraux-Foto wegretuschieren, das als Vorlage einer Gedenkbriefmarke diente.
Opinion leader, Idole als Nichtraucher erscheinen zu lassen ist aber nur die Voraussetzung der Diffamierungsstrategie, denn wie Gabriel Laub feststellte: „Der Krieg wird nicht gegen das Rauchen geführt, sondern gegen die Raucher, um sie zu Menschen einer niedrigeren Sorte abzustempeln.»
Beschimpfungen
Dies kann durch simple Beschimpfungen erreicht werden im Stile Lea Rosh´s: „Ich bin inzwischen für absolutes Rauchverbot … Ich bleibe dabei, daß es ein Akt von Intelligenz ist, das Rauchen zu lassen … So unverschämt, egoistisch und umweltverschmutzend verhalten sich übrigens nur Raucher. Deshalb bin ich dafür, das Rauchen unter Strafe zu stellen… Die zunehmende Isolierung der Raucher kann ich nur begrüßen.»
Oder durch Verweise auf Texte von Raucherrenegaten wie Leo Tolstoi, der behauptete: „Das Nikotin schläfert das Gewissen ein. Das Bedürfnis zu rauchen wächst mit dem Wunsche, Gefühle der Reue zu ersticken. Das Rauchen hat überhaupt den Zweck, die Intelligenz zu umnebeln. Das Rauchen ist die beste Vorbereitung zu jeder schlechten Tat, zu Mord und Diebstahl, zu Spiel und Unzucht.»
Doch derartige Ausfälle beeindrucken nur Glaubensgenossen und -genossinnen, schließlich kennen sogar die meisten nichtmilitanten Nichtraucher Raucher, die durchaus intelligent, bescheiden, sozial und umsichtig sind.
Kosten der Raucher
Erfolgversprechender ist es, Nichtraucher durch den Appell an ihre eigenen Interessen zur Raucherablehnung zu motivieren. Dies geschah zunächst durch den Versuch, dem Rauchen ungeheure soziale Folgekosten anzuhängen. Allein für die USA wurden die durch Rauchen entstehenden Krankheitskosten auf 50 Mrd. Dollar jährlich geschätzt. (Stand 2000)
Noch teurer soll jeder deutsche Raucher der Gesellschaft kommen. In der ARD-Sendung „Raucher raus» (04.02.1998, 21.45 Uhr) bezifferte ein Dr. Helmut Weber den volkswirtschaftlichen Schaden durch Rauchen auf 80 Mrd. DM jährlich. Inzwischen freilich haben die USA wieder die Weltspitze erreicht und die Schätzung der Raucherfolgekosten auf 97,2 Mrd. Dollar jährlich angehoben (http://www.lungusa.org). Dieser Berechnung zufolge würde jede Zigarette soziale Folgekosten von 20 Cents verursachen. (Stand 2000)
Abgesehen davon, daß dieses Kostenargument an unmenschliche Nazirechenexempel erinnert, in denen z. B. das Durchfüttern Behinderter in Relation gesetzt wurde zu den Wohnungsbaukosten für kinderreiche Familien, ist es auch noch falsch. Stimmt nämlich die Annahme, daß Raucher häufiger erkranken und früher sterben als Nichtraucher, verursachen sie, wie eine im New England Journal of Medicine im Oktober 97 veröffentlichte Untersuchung nachweist, auf Dauer geringere Krankheitskosten als Nichtraucher.
Auch nehmen sie weniger Rentenleistungen in Anspruch, so daß, berücksichtigt man noch die jährlich über 20 Mrd. DM Steuereinnahmen aus dem Tabakkonsum, Raucher den Sozialstaat sogar noch subventionieren – immer vorausgesetzt, die propagierte Todesrate von Rauchern entspricht der Wirklichkeit. (Stand 2000)
Obwohl solche realistischen Berechnungen kaum die Öffentlichkeit erreichen, erwies sich auch das Kostenargument als wenig wirksam. Es gibt nicht nur zahlreiche andere Bevölkerungsgruppen wie z. B. die Fettleibigen, deren Krankheitskosten auf astronomische Summen hochgerechnet werden können. Die Fettleibigkeit z. B. soll allein die Schweizer Volkswirtschaft mit 3,87 Mrd. Franken jährlich belasten (Stand 2000).
Hypochonder rentieren mehr
Jeder Arzt- und Apothekenbesucher weiß selbst ganz gut, wie viele oft unnötige Versicherungsleistungen er in Anspruch nimmt. Entscheidend aber ist, daß Gesundheitskosten von dem Einzelnen wie eine Steuer bezahlt und daher nicht wie Miet- oder Transportkosten nachgerechnet werden. (Im übrigen ist dies gut so, denn würden Versicherungsnehmer die Kosten der Intensiv- und Transplantationsmedizin, wie sie von der ganz großen Mehrheit nie in Anspruch genommen wird, kennen, gäbe es die Hochtechnologiemedizin bald nicht mehr.)
Raucher schuld an der Abholzung
Ähnlich unfaßbar und daher wenig relevant ist auch das Umweltargument, das Anti-Raucher-Initiativen versuchsweise anführten gegen den Tabakanbau: „Allein das Trocknen der jährlichen Ernte Brasiliens verschlingt pro Jahr rund 60 Millionen Bäume, für Afrika schätzt man, daß zur Verarbeitung von einem Hektar Tabak der Bestand eines Hektars Baumsavanne gefällt werden muß.»
Wer gemütlich am Kaminfeuer sitzt in seinem Schaukelstuhl und Katalogstapel durchblättert zur Auswahl eines neuen Holzfußbodens und einer Wandvertäfelung, gelegentlich in Papiertaschentücher schneuzt und Flecken nur mit der Haushaltsrolle beseitigt etc., muß schon eine sehr spezifische Sensibilität besitzen, um Rauchern den Verbrauch des nachwachsenden Rohstoffes Holz anzulasten. Nein, wirklich Erfolg versprechend ist nur eine Strategie, die jeden Nichtraucher an seinem eigenen Interesse packt. Sie wurde in der Gefahr des Passivrauchens gefunden.
Fahrlässige Tötung von Passivrauchern
Nach Angaben des deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg sterben in Deutschland jedes Jahr mindestens 400 Nichtraucher an Lungenkrebs, weil Mitbürger(innen) rauchen. Rechnet man weitere angeblich durch Passivrauchen verursachte tödliche Krankheiten hinzu, erhöht sich die Zahl nach Schätzung des Robert-Koch-Instituts in Berlin auf 3 – 4000. Noch beeindruckendere Zahlen stammen aus den USA. Dort sterben jährlich rund 4000 Passivraucher an Lungenkrebs und rund 50 000 an Herzversagen, weil sie unfreiwillig Tabakrauch einatmen müssen. Der Abgeordnete Häfner (Bündnis 90 / Die Grünen) bezichtigte daher Raucher der „fahrlässigen Tötung» von Passivrauchern. Vor allem Kinder, so warnt die Nichtraucher-Initiative Deutschland (Unterschleißheim) seien gefährdet. So stürben in Deutschland jedes Jahr etwa 1500 Säuglinge, weil ihre Mütter vor der Geburt und während der Stillzeit rauchen (Stand 2000).
Krebskranke Fische
Noch hat niemand in Deutschland öffentlich seine Meinung geäußert über die Auswirkung des Passivrauchens auf Haustiere, vor allem auf Hunde, Katzen, Kanarienvögel, doch Hawaii verbot bereits 1996 das Rauchen an seinen Stränden, weil immer mehr gefangene Fische krebskrank waren. Fast alle Zeitungen haben diese Nachricht sowohl in Deutschland, als auch in den USA veröffentlicht. Meines Wissens kam kein einziger Nachrichtenredakteur auf die Idee, die Konzentration der Giftstoffe aus vielleicht 100 000 Kippen in einigen Milliarden Tonnen Wasser allein im Küstenbereich abzuschätzen und die Stichhaltigkeit der Begründung auch nur in Frage zu stellen. Im Rahmen eines anerkannten Vorurteils bleibt auch der größte Blödsinn plausibel.
Am 22.01.1997 hat nun auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Es ist allgemein anerkannt, daß das Rauchen gesundheitsschädlich ist. Unter Rauchern und Nichtrauchern gibt es kaum jemanden, dem diese Gefahren gänzlich unbekannt wären. Das Rauchen tötet mehr Menschen als Verkehrsunfälle, Aids, Alkohol, illegale Drogen, Morde und Selbstmorde zusammen.»
Diese Aufzählung stammt von der IX. Weltkonferenz über Tabak und Gesundheit vom 10. bis 14. Oktober 1994 in Paris und wurde u.a. auch in den New Yorker U-Bahnen plakatiert. US-Präsident Clinton, der das Rauchen am liebsten verbieten würde, aber doch gerne mit Zigarren auf eine Art spielt, die ihm beinahe sein Amt gekostet hätte, ergänzte die Aufzählung noch durch die Todesursache Feuersbrünste.
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