Seltsame Demokratie-Entwicklung
Zwei mal pro Jahr versammeln sich die Parlamentarier aus 140 Ländern, um über die Förderung der Demokratie, den Erhalt des Friedens, die Einhaltung der Menschenrechte nachzudenken.
Dieses Jahr fand diese Konferenz in Indonesien statt. Indonesien ist heute auf dem Weg zu einer funktionierenden Demokratie. Nach der Befreiung von Holland nach dem zweiten Weltkrieg regierte Sukarno als Diktator. Anfang der 60er-Jahre wurde er durch einen Militärputsch von General Suharto gestürzt. Ende der 90er-Jahre begann sich die Demokratie zu regen. Durch Unruhen kam der blinde Wahib an die Macht und wurde Präsident. Er konnte sich aber nur kurze Zeit halten, dann musste er wegen erneuten breiten Unruhen zurücktreten. Zur Präsidentin wurde seine Vizepräsidentin ausgerufen, Frau Megawatti die Tochter von Sukarno.
2005 wurden erstmals richtige Wahlen veranstaltet. Diese Wahlen verliefen trotzt den organisatorischen Schwierigkeiten (Indonesien ist ein Riesenreich mit 220 Mio Einwohnern verteilt auf unzählige Inseln) offenbar fair. Frau Megawatti wurde abgewählt. Gewählt wurde mit grossem Mehr Susilo Yudojono – zwar ein Ex-General, aber ein Mann mit breiter Ausbildung. Weltweit wird anerkannt, dass er trotz seiner militärischen Vergangenheit willens ist, die Demokratie voran zu bringen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen auf dem Weg zu einer funktionierenden Demokratie hat er die Polizei aus dem Militär heraus gelöst und einer separaten Leitung unterstellt. Das Militär muss sich aus der inneren Sicherheit zurück ziehen.
Das ist Indonesien auf dem Weg zu mehr Demokratie und zu mehr ?good governance?.
In der Schweiz soll der Rückwärtsgang eingelegt werden
Während wir Schweizer Delegierten in Entwicklungsländern die Trennung von Polizei und Militär befürworten, gibt es offenbar im Bundesrat eine Mehrheit, die allen Ernstes das Gegenteil anstrebt. Es soll ein gemeinsames sogenanntes Sicherheit-Departement von Polizei und Militär entstehen.
Schon heute werden WK-Truppen vermehrt in der inneren Sicherheit eingesetzt, als Hilfspolizei bei Spitzenbedarf, beispielsweise bei Fussballspielen oder Skirennenä?
Als Begründung für den Militäreinsatz im Innern wird immer mehr die Terror-Gefahr zitiert. Dabei ist offensichtlich, dass die Terrorkriminalität sich nicht mit Militäreinsätzen bekämpfen lässt, sondern nur durch eine tüchtige Polizei sowie eine gute Koordination dieser Arbeit mit den umliegenden Ländern.
Unser Militär ist für den Fall der Landesverteidigung ausgebildet und ausgerüstet. Da in absehbarer Zeit in Europa kaum ein grosser Krieg ausbrechen wird, ist dieser Fall zurzeit wenig wahrscheinlich. Es fehlt der böse Feind ä» darüber wollen wir uns freuen. Das heisst aber nicht, dass die Armeeführung nun auf die Suche nach neuer Beschäftigung im Innern gehen sollte.
Wenn die Meinung besteht, dass der Terrorgefahr noch vermehrt Beachtung geschenkt werden sollte, dann wären die Polizeikorps endlich aufzustocken. Heute sparen hier alle Kantone, da sie wissen, dass die Armee bei grösseren Anlässen gerne Truppen zur Verfügung stellt. Das ist aber erstens gefährlich, da unsere Soldaten für Polizeiaufgaben nicht genügend ausgebildet sind. Zweitens ist es wirtschaftlich ein Unsinn, da die Wirtschaft die Leute nicht ins Militär schickt, damit sie dort als Botschaftsbewacher herumstehen oder Fussballer und zugehörige VIPs im Land herum transportieren.
Die Trennung von Polizei und Militär ist eine zentrale Errungenschaft unsere Demokratie. Sie darf nicht gefährdet werden. Die neusten Pläne des Bundesrates sind vehement abzulehnen.
[Paul Günter, NR BE]