Freiwillige Selbstbeschränkungen gibt es haufenweise, und auf den ersten Blick sehen sie aus wie Ergebnisse freier Entscheidungen aus Einsicht und Vernunft. In Wahrheit handelt es sich aber meistens um das erzwungene Ergebnis einer ganz ordinären Erpressung einzelner Bevölkerungsteile durch die Politik. Eine Art Geste, die vergleichbar ist mit dem Heben der Hände, wenn jemand mit einer geladenen 38er Magnum vor einem steht. Wird man auf diese Weise durch die Politik bedroht, schindet man auf diese Weise aber allenfalls eine Form des Waffenstillstandes heraus, der jederzeit aufgekündigt werden kann. Denn insgeheim sind dann längst irgendwelche Arbeitskreisen dabei, in aller Ruhe Gesetze vorzubereiten, die erst aus der Schublade gezogen werden, wenn der Moment passend scheint.
Wer unterschreibt, hat schon verloren
Das Schema bei solchen «freiwilligen Vereinbarungen» ist immer dasselbe: Man verlange etwas, das kaum zu erreichen ist, und wenn sich der eingeschüchterte Gegner zu einer Unterschrift verleiten läßt, hat er automatisch verloren. Denn irgendeine Klausel findet sich dann immer, die als Vorwand tauglich ist, um der Sache ein Begräbnis erster Klasse zu verpassen. Denken Sie an das Dosenpfand, den Ausbildungspakt, aber auch weit reichende Werbebeschränkungen für Alkohol, «ungesunde» Lebensmittel und anderes, teils schon umgesetzt, teils neuerdings im Raume stehend.
Nach diesem Muster wurde auch die sogenannte «Zielvereinbarung Nichtraucherschutz»* in der Gastronomie im Jahre 2005 zwischen dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und dem Gesundheitsministerium in Form eines Dreistufenplans geschlossen. Die Vereinbarung sah vor, daß nach Ablauf des ersten Jahres, also 2006, 30 % der Gaststätten 30 % ihrer Plätze für Nichtraucher reservieren müßten. 2007 sollten 60 % Kneipen 40 % rauchfreie Plätze vorhalten, und 2008 sollten dann 90 % der Lokale über 50 % rauchlose Plätze verfügen.
Das «Scheitern» des Dreistufenplans
Soweit, so gut. Oder vielmehr: schlecht, denn welcher Wirt reserviert schon gerne Plätze, von denen er von vornherein weiß, daß sie leer bleiben werden, sodaß er damit kein Geld verdienen kann? Die zweite Stufe war aber noch nicht zu Ende – Stichtag war der 01.03.07 -, da wurde von der Regierung im Dezember 2006 verkündet, man werde nun doch ein Gesetz zum Schutz der Nichtraucher machen, das auch auf die Gastronomie ausgedehnt werden solle. Obwohl diese «freiwillige» Vereinbarung ja gerade unter der Drohung zustande gekommen war, andernfalls müsse eben ein Gesetz her, und nur indem der Dehoga unterschreibe, könne er das Gesetz noch abwenden. Im Februar wetterte der damalige EU-Kommissar Kyprianou (inzwischen Außenminister in Zypern), daß ihm die Regelung nicht weit genug ginge. Wenige Tage später erklärte dann die Drogenbeauftragte, Frau Sabine Bätzing, die «Zielvereinbarung Nichtraucherschutz» offiziell für gescheitert:Die Vereinbarung sei nicht eingehalten und schon die erste Stufe im vergangenen Jahr nicht erreicht worden.
War das nun wahr oder gelogen? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, obwohl Frau Bätzing sich selbstverständlich auf eine sehr seriös wirkende Untersuchung* berufen konnte. Tatsache ist aber: Die Vereinbarung war von vornherein Pfuscharbeit. Der Dehoga vertritt, erstens, nur einen Bruchteil der Gastronomie, wurde aber für das Verhalten aller in Haftung genommen. Am geringsten war die Bereitschaft, Nichtraucherplätze anzubieten, auch nach dieser Untersuchung bei Nicht-Mitgliedsbetrieben gewesen. Stellen Sie sich nur einmal vor, es wird mit VW den Bau von Hybridfahrzeugen vereinbart, und dann erklärt man VW für vertragsbrüchig, weil sich Daimler nicht daran hält – und die Reparaturwerkstatt und den Gebrauchtwagenhändler bei Ihnen um die Ecke gleich noch mit dazu, wo man gerade dabei ist.
Denn der zweite Punkt ist, dass die Vereinbarung für Speisegaststätten geschlossen worden war. Die Gesetzeskeule aber donnerte nun unterschiedslos auf die ganze Branche herab: Von der Eisdiele bis zum Luxusrestaurant, von der Dönerbude bis zur Teenie-Discothek, von der Eckkneipe bis zum Striptease-Schuppen. Mehr als die Hälfte aller gastronomischen Betriebe in Deutschland sind auch bei strengster Auslegung nicht als Speisegaststätten zu betrachten. Für sie galt diese freiwillige Verpflichtung also gar nicht. Das Gesetz wurde aber auch ihnen übergebraten, weil sie ihren Verpflichtungen angeblich nicht nachgekommen seien.
Das vertragswidrige Gesetz
Zum Dritten aber wurde die Erhebung, auf die Frau Bätzing sich berief, erst im Januar und Februar 2007 durchgeführt. Da war die freiwillige Vereinbarung aber längst tot und begraben. Denn im Dezember 2006 war – vertragswidrig, wohlgemerkt! – ja bereits eine gesetzliche Regelung beschlossen worden. Die Schuld an dem Vertragsbruch sollte mit dieser Untersuchung wohl nur noch nachträglich dem betrogenen Vertragspartner in die Schuhe geschoben werden. Ein Schelm also, der da nicht fest daran glaubt, daß es bei dieser Erhebung wirklich mit rechten Dingen zugegangen ist.
Aber auch, wenn jemand, der selbst bei dieser Untersuchung dabeigewesen ist, uns auf die Bibel schwören könnte, es habe schon seine Richtigkeit mit dem Ergebnis, müssen wir uns noch etwas Wichtiges fragen: Wie kann man eigentlich einen Vertrag einseitig fristlos aufkündigen, wenn in diesem Vertrag ausdrücklich vereinbart ist, daß er in jedem Fall die vollen drei Jahre laufen soll? Stellen Sie sich nur einmal vor, der Schiedsrichter hätte das EM-Spiel Deutschland gegen Türkei vorzeitig beim Stande von 1:0 für die Türkei mit der Begründung abgebrochen: «Das wird doch nichts mehr.»
Weiterspielen nach dem Abpfiff?
Haben Sie denn bei der EM irgendeine Mannschaft gesehen, die nach dem offiziellen Abpfiff noch weitergespielt hat, mit dem Hintergedanken, damit das Ergebnis noch verändern zu können? Bei der «Zielvereinbarung Nichtraucherschutz» wurde das von den Wirten erwartet und im Februar 2007 kritisiert, daß nach dem Abpfiff, der im Dezember 2006 erfolgt war, nicht mehr weitergespielt worden war. Das ist, als hätte man bei der EM verlangt, unsere Jungs müßten jetzt nachträglich auch noch die Weltmeisterschaft 2006 gewinnen.
Frau Sabine Bätzing wollte ein Gesetz haben, Frau Sabine Bätzing hat es gekriegt, und sie behauptet eisern, die Gastronomie sei es, die sie dazu gezwungen habe, weil die sich einfach nicht an die Vereinbarungen hatte halten wollen. Umsatzverluste? Ja, da muß man sich als Wirt eben umstellen. Neue Gästezielgruppen erschließen. Und überhaupt: Diese Umsatzverluste bildet sich die Gastronomie ja ohnehin nur ein. Sagt sie! Aber wie bei diesem Thema gelogen und manipuliert wird, das ist ein Thema für eine eigene Ausgabe des Schelm.
Was lernen wir aus der Sache? Eines ganz bestimmt: Das Geheimnis, warum man die Bevölkerung für Fußball begeistern kann, für Politik aber nicht: Hier gibt es klare Regeln, hier hat der Schiedsrichter die Aufgabe, den Spielfluß am Laufen zu halten, hier kann jeder zuschauen, sich sein eigenes Urteil bilden, und was man genauer unter die Lupe nehmen will, das wiederholen alle Fernsehsender so oft in Zeitlupe, wie es nötig ist. Und meint ein Schiedsrichter, sich zwanghaft profilieren zu müssen, dann wird er gnadenlos ausgepfiffen. Was würde wohl Günther Netzer zu einer Zeitlupenstudie von Frau Bätzings Aktionen bei der «freiwilligen Vereinbarung» sagen?
Weisheiten gibt es im Fußball genug, da brauchen wir die Politik sicher nicht dazu. Was Guus Hiddink einst freimütig bekannte, mag Frau Bätzing gedacht, aber nie offen ausgesprochen haben: «Wenn man keinen Plan hat, muß man Glück haben. Aber ich hatte den Plan, das Glück zu erzwingen.»
Hinweis
Dieser Text wurde, leicht abgeändert, der Aufklärungskampagne von
NEUES VOM SCHELM (Faltblatt)
entnommen. Der Text kann dort in Form eines Faltblattes heruntergeladen und an Freunde und Bekannte verteilt werden. Die Webseite enthält weitere interessante Informationen, die nach und nach erweitert werden.
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